Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig
wir – ganz nach Kundenwunsch – so gut wie möglich erfüllen. Außerdem sage ich: »Ich habe vollkommen Verständnis dafür, dass Sie auch auf Ihre Weise von Ihrem Sohn Abschied nehmen möchten, und wir würden gerne alles tun, damit das möglich wird.« Was dann folgt, will ich nur auszugsweise wiedergeben: »… hat es bei uns früher nicht gegeben …« – »… Männer müssen hart sein wie Krupp-Stahl …« – »…gehören alle kastriert …« – »…hätten ihn totschlagen sollen wie einen räudigen Hund …« und abschließend: »So was wie der darf ja sowieso nicht in geweihter Gotteserde bestattet werden. Meinetwegen können Sie ihn hinter der Friedhofsmauer verscharren, da wo die Kinderschänder und Selbstmörder hinkommen. Ich hätte ihn anonym verbrennen lassen, keine Anzeige, keine Feier, nichts!«
In diesem Moment wird mir erst klar, dass es dem Mann gar nicht darauf ankommt, seinen Sohn selbst zu bestatten, etwa um ihm eine besondere Bestattungsfeier zukommen zu lassen, sondern er will einfach den »Schandfleck« seines ganzen Lebens beseitigen und verscharren lassen. Da ist mir Röschens Variante lieber.
Ich wünschte, ich könnte meinen Lesern jetzt eine rührselige Geschichte erzählen, wie ich ihn dann doch noch dazu bringe, sich mit Röschen zu versöhnen und wie beide dann vielleicht gemeinsam Abschied nehmen …
Aber nein, dazu kommt es nicht. Er sitzt mir gegenüber, in seinen Mundwinkeln hat er weiße Flöckchen vom aufgeregten Sprechen, und er funkelt mich durch seine Brille an. Vielleicht sollte ich versuchen, ihn auf die altmodische Art zu kriegen, so nach dem Motto »Blut ist dicker als Wasser« oder mit der Geschichte vom verlorenen Sohn, aber während ich das noch denke, fragt er: »Ist da eine Zeitungsanzeige erschienen?«
Ich schüttele den Kopf, Röschen hat alle Freunde und Bekannten selbst eingeladen. Kallis Vater blickt mich mit zusammengekniffenen Augen prüfend an und sagt: »Besonders beeindruckt scheinen Sie nicht zu sein.«
»Weshalb sollte ich beeindruckt sein? Sie erstaunen mich zwar etwas, aber um mich zu beeindrucken, dazu gehört schon etwas mehr.«
»Wenn Sie mir versprechen, dass unser Name nicht in die Zeitung kommt und ich in dieser Sache nicht weiter belästigt werde, will ich davon absehen, Sie zu belangen. Sie machen ja auch nur Ihre Arbeit. Es würde zu weit führen, Ihnen alle Hintergründe zu erläutern, aber seien Sie versichert, ich habe meine Gründe.« Er steht auf, zieht eine Visitenkarte aus der Westentasche und sagt: »Die Rechnung geht hierhin!«
»Tut mir leid, aber der Auftraggeber …«
»Das interessiert mich nicht. Wenn Sie mir keine Rechnung schicken wollen, dann lasse ich Ihnen heute Nachmittag einen angemessenen Betrag zukommen. Sorgen Sie nur dafür, dass der Name meiner Familie nicht in die Zeitung kommt!«
Damit steht er auf, und im Weggehen dreht er sich nochmals um und sagt: »Ich möchte dann von dieser ganzen Sache nichts mehr hören, nichts mehr, haben Sie verstanden?«
Er wartet keine Antwort ab und überlässt es mir, die Rechnung im Café zu bezahlen.
»Arschloch«, denke ich und schaue auf die kleine Visitenkarte: »Richter am Landgericht a.D.« Na ja …
Am selben Tag, nachmittags
Um Punkt drei Uhr kommt Herr Rose in unser Haus. Zwar habe ich Anweisung gegeben, ihn gleich zu mir zu bringen, aber ich bin dann doch mal wieder am Telefon, und so wartet er auf dem Sofa in der Halle. Als ich dann nach knapp zehn Minuten zu ihm komme, sieht er nur kurz auf, grüßt nickend und blättert dann in einem kleinen Fotoalbum: »Schauen Sie mal hier, das ist er. Sind das nicht schöne Bilder?«
Ich setze mich neben ihn, betrachte das kleine Plastikalbum und sehe zwei Männer, die irgendwo, wo Palmen wachsen, in Urlaub sind.
Röschen blättert weiter um, hat zu jedem Foto etwas zu sagen, und dabei fallen mir seine gepflegten Hände auf. Sieht man selten bei Männern, entweder sind die Nägel mit irgendwas poliert oder klar lackiert. Übrigens riecht der Mann gut, und zwar keineswegs süßlich blumig, sondern ich würde auf »Fahrenheit« tippen.
Heute trägt Röschen übrigens eine weiße lange Lederhose, ein hellblaues Satinhemd und einen gelben Seidenschal mit einem unglaublichen Blumenmuster. Kaum 20 Meter entfernt, in der größeren Aufbahrungskabine, wartet sein Kalli auf ihn. Na klar, er hat Angst, will mit dem Blättern den Zeitpunkt des Abschieds noch etwas hinauszögern. Ich raffe mich auf, sage zu ihm:
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