Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig
dann kann ich mir das mit der Totenmaske leisten. Geht das?«
Er steht vor mir, hält meine Hände fest umklammert, und ich sehe, wie seine Nasenflügel beben. »Natürlich geht das«, sage ich, und insgeheim überlege ich, wie wir das zeitlich alles unter einen Hut bekommen.
Es dürfte aber gehen, wenn ich den entsprechenden Künstler sofort anrufe und wir die Maske noch heute Nacht abnehmen.
»Geht das auch mit Händen?« Ich überlege fieberhaft, das hat noch keiner gefragt, und deshalb sage ich: »Wir machen das so: Ich gehe jetzt mal kurz telefonieren, dann sage ich Ihnen Bescheid.«
Herr Rose nickt heftig, setzt sich ganz schnell hin und wippt mit den Knien. Der Mann ist richtig aufgeregt.
Der Spezialist ist nicht da, aber seine Frau geht ans Telefon. Die kennt sich auch aus und will mir ein kompliziertes Verfahren mit Wachs und heißem Wasser für die Hände erklären. Ich breche das ab, übergebe den Hörer an Sandy und mache mich wieder auf den Weg zu Herrn Rose.
»Und?«, fragt Röschen und ich unterrichte ihn über den Stand der Dinge. Er sagt: »Das wäre das Schönste auf der Welt für mich, wenn das klappen würde.« Eben noch hat Röschen geheult wie ein Schlosshund, jetzt tiriliert er wie eine Haubenlerche. »Ich kann heute Nacht nicht schlafen, Sie machen mich zum glücklichsten Röschen der Welt!«
Er geht, und ich habe den Eindruck, dass er wirklich ganz glücklich ist und sich über die Entwicklung freut. Und wir? Wir haben jetzt Arbeit, denn Sandy meint – und damit hat sie recht – wir müssten sofort an die Arbeit gehen.
Am nächsten Tag
Kurz nach 10 Uhr geht es los. Der VW-Bus einer Gärtnerei vom anderen Ende der Stadt fährt auf den Hof, und man fragt nach der Trauerfeier von Kalli. Noch während meine Frau den beiden Floristinnen den Weg zur Feierhalle zeigt, kommt auch der Kurier, der die Abgüsse für die Totenmaske und die Hände abholt. Das könne man unmöglich der Post anvertrauen, meint der Künstler aus Thüringen, als er heute Morgen anruft, um sich zu erkundigen, ob alles soweit geklappt hat oder ob er nicht doch besser kommen soll, um die Abgüsse selbst zu nehmen.
Ich regele die Formalitäten mit dem Kurierfahrer, dann gehe ich in die Trauerhalle, wo Kallis Sarg steht.
Das heißt, er steht nicht mehr an dem Platz, an dem er stand, sondern die beiden Floristinnen haben ihn an die Seite geschoben. Sie bauen drei große Bögen aus Drahtgestell auf und umwickeln sie mit weißen Blütengirlanden. Diese Bögen sollen hinter dem Sarg stehen, als Kulisse quasi. Auf dem Sarg selbst wird eine Holzlatte befestigt, auf der sich Steckmasse mit viel Grün befindet. Danach werden ungefähr hundert weiße Lilien gesteckt, so dass sie ringsherum nach unten über den Sargdeckel hängen. Ich finde das sieht in Kombination mit dem grün-blau schimmernden Sarg klasse aus.
Die jungen Frauen laden immer mehr Blumen aus und tragen sie in unser Haus. Ich habe schon viele Trauerfeiern ausgestattet und geleitet, und ich habe auch schon mal im Auftrag der Kunden 2000 Euro für Blumenschmuck ausgegeben, aber das hier schlägt alle Rekorde! Drei große Herzen in Rosa mit Schleifen mitsamt Ständer, zwei Kränze in Rot und acht Blumenständer mit großen Gestecken in Weiß und Rosa. Ich weiß nicht, wie die Königin von Saba bestattet worden ist, aber wenn ich die Königin von Saba bestatten würde, dann genau mit diesem Blumenschmuck. Herr Rose muss zum Aussuchen Stunden im Blumenladen zugebracht haben.
Eine Stunde später sieht unsere Trauerhalle aus wie die Dekoration zu einem Revuefilm aus den 30ern – gigantisch! Alle meine Mitarbeiter stehen buchstäblich sprachlos vor dieser Blumenkulisse. Gott sei Dank macht mich eine Mitarbeiterin darauf aufmerksam, dass wir mit den Gestellen für die Girlanden die Leinwand nicht herunterfahren können, und Röschen will doch Dias zeigen. Also dekorieren wir noch leicht um, dann passt’s. Was dann folgt, ist Routine. Soundcheck, staubsaugen, Licht einstellen, damit die Spots auch die Blumen erfassen und passend verdunkeln.
Manche werden sich fragen, was da verdunkelt werden muss. Unsere Trauerhalle hat hinten Buntglasfenster im gotischen Stil, allerdings ist dahinter nicht »draußen«, sondern ein Versorgungsgang, z.B. zum Transport der Särge. Und an dieser Stelle beschwindeln wir die Kunden, denn das Sonnenlicht, das immer so schön durch die bunten Fenster seine Strahlen auf den Sarg wirft, wird ganz profan von punktgenau hinter den
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