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Gevatter Tod

Gevatter Tod

Titel: Gevatter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Gesicht seines Vaters. Er wollte ihm viele Dinge sagen: wie sehr er an ihm hing, welche Sorgen er sich machte. Er wollte ihn fragen, was er eben gesehen und gehört zu haben glaubte. Er wollte ihm sagen, daß er das Gefühl hatte, auf einen Maulwurfshügel getreten zu sein – um unmittelbar darauf festzustellen, daß es sich in Wirklichkeit um einen kleinen Vulkan handelte. Er wollte ihn fragen, was er sich unter Trauungsscheremonien vorstellen sollte.
    Statt dessen seufzte er. »Ja. Danke für deinen Rat. Äh, ich muß jetzt los. Wenn ich Zeit finde, schreibe ich dir einen Brief.«
    »Irgendwann kommt bestimmt jemand vorbei, der ihn uns vorlesen kann«, erwiderte Lezek. »Auf Wiedersehen, Mort.« Er schniefte leise.
    »Auf Wiedersehen, Paps«, sagte der Junge. »Ich besuche euch mal.«
    Tod hüstelte diskret – es klang, als breche ein von Termiten zerfressener Balken.
    WIR MÜSSEN UNS BEEILEN, sagte er. STEIG AUF!
    Mort nahm hinter dem reich verzierten, mit silbernen Beschlägen geschmückten Sattel Platz, und Tod beugte sich herab, um Lezek die Hand zu schütteln.
    DANKE, sagte er.
    »Im Grunde seines Wesens ist er ein guter Junge«, behauptete Lezek. »Obgleich er manchmal mit offenen Augen träumt. Nun, ich schätze, wir alle waren einmal jung.«
    Tod dachte darüber nach.
    NEIN, sagte er schließlich. DAS GLAUBE ICH NICHT.
    Er nahm die Zügel, und das Pferd tänzelte herum, wandte sich der randwärtigen Straße zu. Mort drehte den Kopf und winkte verzweifelt.
    Lezek erwiderte den Abschiedsgruß. Als das Pferd und die beiden Reiter nicht mehr zu sehen waren, ließ er die Hand sinken und starrte verwirrt darauf herab. Die Finger des fremden Mannes… Sie hatten sich irgendwie seltsam angefühlt. Aber er konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, warum er einen solchen Eindruck gewonnen hatte.
     
    Mort hörte, wie die Hufe des prächtiges Rosses über des Kopfsteine klapperten. Es folgte ein dumpferes Pochen, als feste Erde auf das Pflaster folgte – und dann herrschte plötzlich Stille.
    Er senkte den Kopf und beobachtete die Landschaft, die sich im perlmuttenen Mondschein unter ihm ausbreitete. Wenn er jetzt fiele, würde er nur auf leere Luft prallen.
    Die Hände schlossen sich fester um den Sattel.
    HAST DU HUNGER, JUNGE? fragte Tod nach einer Weile.
    »Ja, Herr.« Die Worte stammten direkt aus dem Magen, bemühten gar nicht erst das Gehirn.
    Tod nickte und zügelte das Pferd. Es verharrte mitten in der Leere, und tief unten glitzerte das runde Panorama der Scheibenwelt. Hier und dort verriet sich eine Stadt durch orangefarbenes Glühen, und vom warmen Meer in der Nähe des Rands ging ein vages phosphoreszierendes Schimmern aus. In einigen tiefen Tälern verdunstete langsames gefangenes Licht zu silbrigem Dampf. 1
    Doch ein anderes Gleißen überstrahlte alles: Es stieg vom Rand auf, wuchs erhaben den Sternen entgegen. Goldene Mauern umgaben die Welt.
    »Wunderschön«, murmelte Mort ergriffen. »Was ist das?«
    DIE SONNE BEFINDET SICH DERZEIT UNTER DER SCHEIBENWELT, erklärte Tod.
    »Wiederholt sich das in jeder Nacht?«
    JA, bestätigte Tod. SO IST DIE NATUR EBEN.
    »Wieso erfahre ich erst jetzt davon?«
    WEIL SONST NIEMAND ETWAS AHNT. NUR WIR BEIDE WISSEN BESCHEID. UND DIE GÖTTER. SIEHT NETT AUS, NICHT WAHR?
    »Ich bin platt!«
    Tod beugte sich vor und sah in die Tiefe, beobachtete die Welt der Sterblichen.
    ICH WEISS NICHT, WIE'S MIT DIR STEHT, sagte er, ABER ICH KÖNNTE JETZT EIN ORDENTLICHES CURRYGERICHT VERTRAGEN.
     
    Es war bereits eine ganze Weile nach Mitternacht, doch in der Zwillingsstadt Ankh-Morpork herrschte noch immer rege Betriebsamkeit. Mort hatte Schafrücken für eine hektische Metropole gehalten, aber im Vergleich zu dem Durcheinander um ihn herum ging es in dem Dorf so geruhsam zu wie auf einem Friedhof.
    Immer wieder haben Dichter versucht, Ankh-Morpork zu beschreiben. Nicht einem einzigen von ihnen ist es gelungen. Vielleicht liegt es an der mitreißenden Vitalität jenes Ortes – oder daran, daß eine Stadt mit einer Million Einwohnern und ohne einen einzigen Abwasserkanal das eher sensible Gemüt der Poesie zu sehr belastet. Nun, der Autor beschränkt sich an dieser Stelle auf folgende Vergleiche: Ankh-Morpork ist so voller Leben wie ein alter Käse an einem heißen Sommertag, so laut wie Flüche in einer Kirche, so sauber wie ein Schornstein, der seit mindestens einem Jahrhundert nicht mehr gereinigt wurde, so kunterbunt wie ein dicker Bluterguß, und so voller

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