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Gewitterstille - Kriminalroman

Gewitterstille - Kriminalroman

Titel: Gewitterstille - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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Wer weiß, vielleicht wird er auch versuchen, neue Papiere für sich und Sophie zu beschaffen.«
    Anna nickte. Sie hatte Schwierigkeiten, sich auf das Gespräch mit Bendt zu konzentrieren, denn gegenwärtig beschäftigte sie noch ein ganz anderer Gedanke. Was würde Georg sagen, wenn er erfuhr, dass der Kommissar sie nun doch auf ihrer Reise begleitete?
    »Hörst du mir eigentlich zu?«
    »Entschuldige, was hast du gesagt?«
    »Ich möchte, dass du bis zu eurem Rückflug übermorgen nicht in Beates Haus einziehst, sondern mit mir in ein Hotel gehst.«
    »Ich denke überhaupt nicht daran. Am liebsten würdest du wohl noch auf meiner Bettkante Wache halten, oder?«
    »Das ist gar keine schlechte Idee.« Bendt zwinkerte Anna zu. »Aber im Ernst. Asmus ist unberechenbar. Ich möchte nicht, dass du dich allein in seiner Nähe aufhältst.«

33. Kapitel
    A ndré bot nicht nur Anna, sondern auch Bendt einZimmer im Haus an und beendete dadurch die Diskussion um ein Hotelzimmer. Anna bedauerte es, den sympathischen Franzosen und seine Frau nicht unter anderen Bedingungen kennengelernt zu haben. Sie mochte beide auf Anhieb. Am Abend ihrer Ankunft hatte André auf dem Grill verschiedene Sorten Fleisch und frischen Fisch für alle zubereitet, und der Wein hatte so köstlich geschmeckt, dass Anna für einige Augenblicke fast vergessen hätte, wes halb sie an diesen paradiesischen Ort gereist war. Anna und Beate schwiegen eine ganze Weile, während sie am nächsten Morgen gemeinsam die Klippen hinaufstiegen. Anna sog die frische Morgenluft ein und musterte Beate von der Seite, die Sophie auf so verblüffende Weise glich.
    Es war schließlich Beate, die das Schweigen brach.
    »Wie, glauben Sie, geht es Sophie?«
    Anna blieb stehen und blickte auf das türkisfarbene Meer hinunter. »Ich weiß es nicht. Sie hat so vieles zu verarbeiten, und ich glaube, Sie haben recht mit Ihrer Vermutung, dass sie uns etwas verheimlicht.« Anna hatte am Vorabend vergebens den Versuch unternommen, mit Sophie zu reden. Es war ihr weniger darum gegangen, etwas über Asmus herauszufinden, als sich vielmehr ein Bild von Sophies Gemütslage zu verschaffen. Sophie war ihr aber ausgewichen.
    »Es muss wahnsinnig schwer für Sophie sein, das alles hier zu sehen. Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich so offen bin, aber ich könnte gut verstehen, wenn sie wütend auf Sie ist.«
    »Ich nehme es Ihnen nicht übel, Anna. Ich bin es, der vieles übel genommen werden muss. Ich wäre froh, wenn es Sophies Wut wäre, gegen die ich ankämpfen könnte. Was mich ratlos und verzweifelt macht, ist ihre Traurigkeit.« Die Frauen setzten ihren Weg fort, während Beate weitersprach. »Es ist schwer, einem Teenager zu vermitteln, was mich damals bewogen hat, so zu handeln, wie ich es getan habe.«
    »Nicht nur einem Teenager.«
    Beate blieb abermals stehen, und sie schien einen Moment nachzudenken, bevor sie sagte: »Sophie soll ihren Vater in guter Erinnerung behalten. Sie haben ihn nicht so gekannt, wie ich ihn gekannt habe. Ich hätte einen Sorgerechtsstreit nicht durchgestanden. Welche Chance hätte ich denn damals gehabt? Für mich gab es allein keinen Weg zurück nach Lübeck. Ich brauchte André, um mit meinen Depressionen fertigzuwerden. Glauben Sie, man hätte mir erlaubt, das Kind seinem Vater zu entziehen und mit nach Frankreich zu nehmen? Er hätte wie ein Löwe gekämpft, auch wenn Sophie dabei unter die Räder gekommen wäre.«
    Es war das Bild von König Salomo, das Anna in diesem Moment in den Sinn kam. Als zwei Frauen mit einem Kind zu ihm gekommen waren und beide behauptet hatten, die Mutter des Kindes zu sein, hatte er befohlen, es zu zerschneiden und jeder die Hälfte zu geben. Die richtige Mut ter hatte daraufhin gesagt: »Gebt es der anderen, aber lasst es am Leben.« Vielleicht war es das, was Beate damals empfunden hatte, als sie Sophie aufgab. Sie hatte lieber auf Sophie verzichten wollen, als zu riskieren, dass ihr Kind in einem Sorgerechtsstreit Schaden nahm.
    »Für Sie muss das alles absurd klingen«, fuhr Beate fort. »Ich weiß aus der Presse, dass mein Mann bei dem Versuch umgekommen ist, Sie vor einem Serienmörder zu retten.«
    Anna wurde blass. »Glauben Sie mir, Beate – auch wenn ich es Ihnen nicht erklären kann –, ich verstehe vielleicht besser als jeder andere, was Sie mit diesem Mann durchgemacht haben.«
    Die Frauen blickten einander an, und Anna konnte Beate ansehen, dass sie zu gern mehr über die Nacht erfahren hätte, in der

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