Ghosts 01 - Ghosthunter
er exakt zwei Minuten Zeit hatte, die Mails zu beantworten oder zu löschen, bevor sie in Dozers Postfach landeten. Sofort begann die Zeit zu rasen.
„Sagen Sie, ich muss mal eben meine unverdaulichen Ballaststoffe entsorgen“, scherzte er. „Gibt’s hier irgendwo ’n Klo?“
„Logisch“, erklärte der Lagerist. „Da raus, dann links.“
Die Tastatur des Laptops war eiskalt, als er ihn hinter der Plastikkloschüssel hervorzog und in Windeseile Dozers Postfach checkte.
Er sah auf seine Uhr. Noch 56 Sekunden.
Einen Moment lang überlegte Daniel, Brittas Anfrage schlicht zu löschen, doch dann entschied er sich dagegen. Er kopierte sie auf seine Festplatte, löschte das Original in Dozers Postfach und begann hastig, eine Bestätigung der Vollmacht in Dozers Namen zu tippen.
Was für ein blöder Idiot, dachte Daniel, als er versuchte, Dozers knappen Tonfall zu imitieren und so amtlich wie möglich zu klingen. Dabei musste er immer wieder eine Pause einlegen, um sich die Hände zu reiben, die schon vor Kälte schmerzten. Sein Chef würde weder die Anfrage noch die Bestätigung erhalten, aber sicher würde irgendwann irgendwer wissen wollen, was mit dem Endurance passiert war.
Daniel hämmerte weiter auf die Tastatur ein. Irgendwann würde es Ärger geben, gehörigen Ärger, aber das war nicht sein Problem. Noch nicht.
32 Sekunden.
Beinahe hätte er mit „Dozer“ unterschrieben. Innerlich über sich selbst lachend, löschte er die Zeile und kopierte aus einer anderen Mail des Chefs dessen hochgestochene Mail-Signatur: „Hochachtungsvoll, Dr. habil. Brian Stayyard, CFO Abteilung 1, Amundsen-Scott-Southpole-Station“.
17 Sekunden.
Und Go! Er schickte die Antwort ab und löschte sie noch im selben Atemzug. Sofort entspannte er sich. Geschafft. Zu seiner Überraschung kündigte schon Sekunden später Homer Simpson mit einem saftigen „Nein!“ eine neue Nachricht in seiner InBox an.
„Herausgabe des Endurance“, las er, „erfolgte um 20090619T2217 UTC.“ Daniel lächelte zufrieden. Na prima, dachte er. Jetzt ist es amtlich. Die Herausgabe findet am 19. Juni 2009 um 22:17 UTC statt. Nicht schlecht, diese Britta, dachte er. Bestätigt die Übergabe, obwohl ich noch auf dem Klo hocke. Er verstaute den Laptop wieder hinter der Toilette, schnappte sich seinen Stock und stand auf.
Kaum hatte er die Tür des Klohäuschens geöffnet, hörte er die tiefe Stimme des Lageristen brüllen: „Soll ich das Ding gleich zum Heli schleppen, oder was?“
Bevor Daniel antworten konnte, war der Typ mit seinem Gabelstapler bereits an ihm vorbei und zum Eingang des Maschendrahtzauns gefahren.
„Ich bitte drum“, brüllte Daniel ihm zu und konnte sich das Lachen nicht mehr verkneifen, denn er stellte sich Alvas Gesicht vor. Was sie wohl sagen würde, wenn er ihr erzählte, dass die Beklauten ihm die Diebesbeute quasi mit Kusshand in den Fluchtwagen geladen hatten? Morgen würden sie sich den knappen Platz im Helikopter mit einem Endurance der neuesten Generation teilen müssen.
53
„Was geht nur in deinem Kopf vor, Tan?“ Wütend stierte Zachary auf die Straße. Er hatte Kopfschmerzen und sein Bein tat weh. Dass Ian einfach auf ihn zuhalten würde, hätte er nicht gedacht. Eine Judorolle hatte ihm das Leben gerettet. Dafür hatte er jetzt höllische Schmerzen im Oberschenkel. Die Harley, die über den Asphalt geschlittert war, hatte ihn nur um einen halben Meter verfehlt. Nachdem er sich endlich aufgerappelt hatte und zum Hang gehumpelt war, hatte er den Mietwagen in den Bäumen stecken gesehen. Eine verfluchte halbe Stunde hatte er gebraucht, um mit dem verletzten Bein den Hang hinunterzuklettern. Unten angekommen, hatte er enttäuscht feststellen müssen, dass der Wagen leer und die Sitze bereits kalt waren.
Ein Seitenblick auf seinen Partner zeigte ihm, dass Tan schmollte. „Einfach den Jungen abzustechen. Du hast sie ja nicht mehr alle“, zischte Zachary und funkelte Tan böse an.
Obwohl Tan in Ipswich beinahe die ganze Aktion gefährdet hatte, gab er seinen Fehler nicht zu. Stur starrte er auf seinen Laptop, murmelte Richtungsangaben und biss vom Subway-Sandwich seines Partners ab.
Zachary konzentrierte sich auf den Verkehr. Ständig liefen ihm Studenten oder Touristen vor den Geländewagen. Keiner achtete auf die Autos. Alle hatten nur Augen für die weltberühmte Architektur von Cambridge.
„Wo lang?“
In dem virtuellen Stadtplan markierte ein roter Pfeil ihre Position, ein grüner Punkt ihr
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