Ghosts 01 - Ghosthunter
tatsächlich etwas das Auto streifte, dass wirklich Finger gegen den Kotflügel schlugen und Arme die Seite des Wagens aufrissen. Die Arme der Bäume. Äste, Zweige, Stämme. Schatten wirbelten um das Auto und rissen Teile von ihm ab. Wie schnappende Hunde fraßen sie den Wagen im Flug.
Ihr Trommelfeuer war überwältigend, das Bersten von Metall, das Krachen und Quietschen von Gummi und Plastik.
Wie ein Taucher, der aus der schwerelosen Stille des Wassers wieder an die Oberfläche kommt, so tauchte Ian im harten, schreienden Chaos auf. Bevor er nach Luft schnappen konnte, schleuderte das Auto ein weiteres Mal herum und er krachte mit den Knien gegen das Armaturenbrett. Hart bohrte sich sein Kopf in den Frontairbag.
Ian hörte Bpms Schreie, als sich der Wagen überschlug, aber sie klangen fern, so weit weg, als wäre sein Freund längst nach draußen in den Wald geschleudert worden.
Die Windschutzscheibe brach und überschüttete Ian mit Sicherheitsglas, doch das spürte er schon nicht mehr.
Aufgefangen in seinem Gurt, hing Ian kopfüber im Auto und träumte von fremden Wesen und einem Vater, den er nie wirklich kennengelernt hatte. Ein verschollener Großvater kraulte einen toten Hund.
Er spürte nichts mehr.
41
A 12, Bundesstraße nahe Colchester- Essex,
England
Schwamm er? Da war Wasser … Es war doch Wasser? … Ein Bach? Sein leises Plätschern drang zu ihm. Er lag da und lauschte, bevor es ihm endlich gelang, die Augen aufzuschlagen. Durch die zerschlagene Windschutzscheibe sah er Bäume, die verkehrt herum in einen Bach wuchsen, der sich am Himmel entlangschlängelte.
Nein, der Wagen lag auf dem Kopf. Ian spürte den Gurt, der ihm in die Schulter schnitt. „Benjamin“, brachte er mühsam hervor und drehte sich zum Beifahrersitz. Er hatte erwartet, Schlimmes zu sehen. Doch auf diesen Schock war er nicht vorbereitet: Neben ihm hing dieser Zachary. Ordentlich angeschnallt und völlig ohne Blessuren. Sogar sein Gesicht war sauber. Dafür war etwas Eigenartiges mit seinem Brustkorb geschehen.
Genau dort, wo Ian ihn mit der Baulampe getroffen hatte, ragte ein Geisterarm heraus. Ein schimmernder, halbdurchsichtiger Arm mit endlos langen Fingern.
Langsam drehte sich Zachary zu Ian um.
„Führerscheinprüfung“, sagte er grinsend und hob ermahnend den langen Zeigefinger. „Du böser Junge, was hast du mit Daddys Wagen angestellt?“ Der Fremde lachte laut auf und begann mit einem Mal zu brennen. Der unheimliche Finger wand sich in ihm wie ein verreckender Wurm. Eine Sekunde später stand Zachary schon bis zu den Haaren in Flammen.
Mit einem Schrei fuhr Ian im Bett hoch und starrte einen Moment mit weit aufgerissenen Augen auf die Wand des schmucklosen Motelzimmers.
Schnaufend holte er Luft und wollte sich auf die andere Seite drehen, doch seine Hüfte, sein Kopf und sein Rücken schmerzten zu sehr. Sein Körper fühlte sich wie eine einzige offene Wunde an. Überall hatten sich blaue Flecken gebildet, seine Nase begann zuzuschwellen und auf seiner Stirn ertastete er eine dicke Kruste aus getrocknetem Blut.
Obwohl ihm alles wehtat, hatte er Glück im Unglück gehabt. Beide hatten sie Glück gehabt. Er und Bpm.
Sie waren nicht aus dem Auto geschleudert worden und die lange Knautschzone des schweren Mietwagens hatte die meiste Energie des Aufpralls absorbiert. Zwar hatte das Auto einen Totalschaden, aber die Fahrerkabine war trotz des Überschlags beinahe unversehrt geblieben. Gute zehn Fuß hatte die Schneise in der Breite gemessen, die der Wagen in den bewaldeten Abhang gerissen hatte, bevor er am Ufer eines Baches zum Liegen gekommen war.
Eine Tür war abgerissen und das Verdeck vollkommen verbeult. Die Motorhaube war wie eine Ziehharmonika zusammengequetscht und später, auf ihrer Flucht vor Zachary, hatte Ian eines der Räder im Bach entdeckt. Abgerissen, weggeschleudert von der Wucht des Aufpralls.
Ian war benommen zu sich gekommen und hatte Bpm stöhnend, aber lebend in seinem Gurt gefunden. Obgleich Ian nur mühsam laufen konnte, galt sein erster Gedanke sofort Zachary, der ihnen auf den Fersen war. Ian kam zu dem Schluss, dass der eine Weile brauchen würde, um den steilen Abhang hinunterzuklettern. Falls sie ihn nicht ohnehin schon mit dem Wagen außer Gefecht gesetzt hatten.
So vorsichtig wie möglich hatte er Bpm von seinem Gurt befreit. Unter Schmerzen hatten sie sich ihre Rucksäcke geschnappt und waren zum Bach geflüchtet. Erst liefen sie eine Weile am Ufer stromaufwärts,
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