Giebelschatten
einsperren.«
»Aaron hat dieses Haus bis gestern morgen nicht verlassen, Inspektor Pascin. Meine Angestellten können das bezeugen.«
»Können Sie das?« Für einen Moment wirkte Pascin, als sei er überrascht. Dann schüttelte er mit einem bitteren Lächeln den Kopf. »Ich bin mir sicher, daß sie das können.«
»Glauben Sie mir doch«, mischte Valerie sich ein. »Es war nicht Aaron. Der Mörder heißt Stiller.«
Pascin fuhr herum. Sein Blick wurde noch stechender. »Ach ja, der Mann, dessen Adresse Sie nicht kennen.« Er grinste, und jetzt sah er fast amüsiert aus.
»Aber ich kenne sie.« Curtis blickte ihn an.
Pascin wollte etwas erwidern, als Darbon ins Zimmer stürmte. Seine Bewegungen waren hektisch, und er wirkte aufgeregt. Auf seiner Stirn standen Schweißperlen. Er beugte sich an das Ohr des Inspektors und flüsterte etwas hinein.
»Was? Ist das wahr?« fragte Pascin mit aufgerissenen Augen.
Darbon nickte.
Ein triumphierendes Lächeln zog sich über das Gesicht des Inspektors, als er sich an Curtis und Valerie wandte.
»Wir haben ihn!« verkündete er.
»Aaron?« Curtis fuhr hoch.
Pascin nickte. »Wen sonst? Eine Hure hat ihn schon vor zwei Stunden oben am Montmartre aufgelesen und mit zu sich genommen. Wenn ihr etwas geschehen wäre –« Er wurde von einem lauten Ausruf unterbrochen, der aus der Eingangshalle ins Zimmer drang. Jemand rief seinen Namen.
Pascin drehte sich mit fragendem Gesichtsausdruck zu Darbon um und machte eine Handbewegung, um seinen Assistenten nach draußen zu schicken, als plötzlich ein Polizist ins Zimmer gerannt kam. Er war völlig außer Atem und keuchte. Es war der junge Uniformierte, der Valerie zu Pascin gebracht hatte.
»Inspektor!« rief er zwischen zwei hektischen Atemzügen. »Inspektor Pascin!«
»Was ist los?«
Der junge Beamte stöhnte und versuchte Haltung anzunehmen. »Ein neuer Mord.«
Pascin erstarrte, als hätte man ihm ins Gesicht geschlagen. »Wo?« fragte er tonlos.
Der Polizist nannte Straße und Hausnummer.
»Großer Gott«, schrie Valerie auf. Alle fuhren zu ihr herum.
»Ich kenne diese Adresse«, keuchte sie.
Curtis trat zu Pascin. »Inspektor, wenn dieser Mord eben erst geschehen ist, dann –«
Pascin winkte ungeduldig ab. »Wir werden sehen.« Er ging zur Tür und wandte sich an Darbon. »Los, kommen Sie.«
»Inspektor!« rief Valerie. »Lassen Sie mich mitkommen.«
Pascin sah sie mißmutig an, dann drehte er sich um und ging. »Machen Sie, was Sie wollen!«
Als sie den Flur von Patricks Haus betraten, hatte der Arzt die erste, oberflächliche Untersuchung der Leiche bereits beendet. Man hatte ein Tuch über sie gebreitet, unter dessen Rändern sich dunkle Rinnsale verzweigten, so als behielte das Blut auch nach seinem Austritt aus dem Körper die Form des Adersystems bei.
Patrick kauerte auf einer der unteren Treppenstufen, das Gesicht zwischen den Armen verborgen, die Knie fest an die Brust gezogen. Valerie stürmte an den überraschten Polizisten vorbei und ging neben ihm in die Hocke.
»Irina?« fragte sie vorsichtig, obwohl sie die Antwort längst kannte.
Er nickte stumm, ohne zu ihr aufzusehen. Hinter ihrem Rücken warf Pascin mit verbissenem Gesicht einen Blick unter das Tuch und seufzte leise. Curtis lehnte mit eingefrorenen Zügen an der Wand und bewegte sich nicht. Seine Lippen bebten, und die Haut über seinen Wangenknochen zuckte unmerklich.
Valerie hob eine Hand und streichelte über Patricks Kopf. Langsam hob er sein Gesicht zwischen den Armen hervor und sah sie an. Seine Augen wirkten aufgequollen, der Stoff seiner Ärmel war von Nässe durchtränkt. Valerie ertappte sich bei dem Gedanken, daß von seiner Attraktivität in diesem Augenblick wenig übrig geblieben war. Sie schämte sich dafür, stand mit einem gezwungenen Lächeln auf und ging zu Curtis hinüber.
Pascin sprach mit einem Uniformierten. »Wann hat man sie gefunden?«
»Vor etwa einer halben Stunde.«
Pascin nickte nachdenklich. »Er?« fragte er mit einem Blick auf Patrick.
Der Beamte deutete ein Kopfnicken an. »Ja. Patrick Pagnol. Er ist Schauspieler.«
»Ein Künstlername?«
»Nein«, mischte Valerie sich ein. Pascin schenkte ihr einen mißtrauischen Blick. Bevor er fragen konnte, sagte sie: »Wir spielen am selben Theater.«
Der Inspektor sah sie argwöhnisch an. »Sie stecken ziemlich tief in dieser ganzen Angelegenheit«, stellte er fest. Den Gendarm fragte er: »Irgendwelche Schmierereien an den Wänden, wie beim letzten
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