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Gier

Gier

Titel: Gier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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Stimmung, denn obwohl er das Wochenende frei gehabt hatte, war er ziemlich depressiv. Sein Körper schmerzte. Er versuchte, seine Gedanken auf Wyatt zu richten und ihn aus einer Perspektive zu sehen, in der Wyatt keine Bedrohung darstellte, aber das Bild entglitt ihm.
    In der Elizabeth Street hielt er an einem Autozubehörladen und kaufte eine Zwillingshupe für den Customline. Er fing ein paar Blicke auf, junge Kerle bewunderten die Restaurierungsarbeit, die er geleistet hatte, das glänzende Chrom, die Zierleisten und die Weißwand-Reifen. Und das Nummernschild: CUSTOM.
    Er hatte keine Lust, sofort zum Bargain City zu fahren. Zur Erinnerung an alte Zeiten kreuzte er über den Vic Market, rollte zurück, ließ den Customline wummernd die Donut-Stände passieren, wo an den Markttagen übergewichtige Männer und Frauen mit Mundgeruch in Jogginganzügen und Mokassins entlangschlurften und junge Einwanderer mit Gel-Frisur, die ihre Stretchjeans vorn mit Taschentüchern ausgestopft hatten.
    Die Sache mit den Einwanderern ist, sie trauen den Banken nicht. Das war nur eine von vielen Möglichkeiten, der Sugarfoot sich widmen wollte, wenn er endlich mit Ivan brach und auf eigene Rechnung arbeiten würde.
    Er bremste, um einen Müllwagen an den Obst- und Gemüseständen rückwärts herausfahren zu lassen. Er hatte seine erste Brieftasche auf dem Vic Market geklaut, hatte ein ausländisches Mädchen hinter einem Jeans-Stand gefickt, während ihr alter Herr einen Kunden bediente, sein erstes Koks bei einem Asiaten gezogen, der ihm erzählte, es gebe eine Triade in Melbourne und was ihn erwarten würde, wenn er nicht das Maul hielt.
    Aber das war zu einer Zeit gewesen, als er mit kleinen Spinnern zusammengearbeitet hatte, die nur über einen begrenzten Horizont verfügten – mit Einbrüchen kamen sie gerade noch klar, aber Brandstiftung war ihnen zum Beispiel zu heikel, abgesehen von dem Kerl, der sich nicht unter Kontrolle hatte und immer wenn es drauf ankam, Durchfall bekam. Sugarfoot steuerte durch die Footscray Road und sagte laut zu sich selbst: »Du hast seitdem eine ganz schön lange Strecke zurückgelegt, Sugar.«
    Da war noch die Zeit in Pentridge gewesen, aber daran war einzig und allein sein unglaubliches Pech Schuld. Alles war gut gelaufen – sechs Schecks vom Arbeitsamt, ein bißchen Taschendiebstahl, ein bißchen Hehlerei, Tagesmanager für eine Begleitagentur. Und dann brach alles mit einem Mal zusammen. Es waren ein paar Schulden aufgelaufen, wirklich nichts Besonderes, aber dann kamen die schweren Jungs vorbei und sagten, er könne für sie fahren, nur das eine Mal, um seine Schuld zu begleichen oder eben die Statistik der Portsea Wasserleichen aufbessern.
    »Krasser Fall von Dummheit«, hatte der Richter gesagt.
    Sugarfoot war nur das Bauernopfer gewesen, oder jemand hatte der Bundespolizei einen Tip gegeben. Achtzehn Monate in Pentridge.
    Er hatte lernen müssen, wie langsam Zeit vergehen konnte. Er hatte erwartet, daß Gangs einander unter der Dusche vergewaltigten, daß gemeine Schließer in Uniform die Gefangenen malträtierten, daß er ›Einladungen‹ bekäme, die Freundin für irgendwelche aidsverseuchten Kerle zu mimen. Aber die echte Strafe war die Zeit und die Regeln gewesen. Jeden Morgen um dieselbe Zeit aufstehen, jeden Abend um dieselbe Zeit in die Zelle, wenig Zeit zum Duschen, Rasieren, Essen, Sport. Dafür lange Stunden bei irgendeiner schweißtreibenden Arbeit, den gleichen jugendfreien Mist jeden Abend im Fernsehen, ausgewählt von den Lebenslänglichen und den langjährig Verurteilten, deren Gehirne sich in Gefängnisbrei verwandelt hatten. Was ihn wirklich getroffen hatte, war das Fehlen von natürlichem Licht und natürlicher Dunkelheit – wo immer er ging und stand, hatten sie elektrisches Licht eingeschaltet, hell während des Tages, damit die Wachen nichts verpaßten, heruntergedimmt am Abend, aber dennoch drang es in seine Zelle, in sein Gehirn. Sugarfoot hatte sich gefragt, wie er die achtzehn Monate überleben sollte, war dankbar, daß sie ihm nicht mehr gegeben hatten, und wußte, daß er nie zurückkommen würde.
    Er erreichte die Williamstown Road. Die Ampeln zeigten rot, aber die Schwachköpfe tuckerten über die Kreuzung, als wenn sie auf einem Sonntagsausflug wären, also drückte er auf die Hupe, bog vor ihnen links ab und fuhr die Williamstown Road hinab.
    Er parkte hinterm Bargain City und spazierte in den Laden. Leanne, die morgens aushalf, versuchte irgendeinen

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