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GIERIGE BESTIE

GIERIGE BESTIE

Titel: GIERIGE BESTIE Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Müller
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große gelbe Zugpläne in mehreren Sprachen, Abfahrt – Partenza – Departure und nun in doppelter Größe Départ, Gare de Genève. Eine abschließende kleine Rolltreppe, die den erhöhten Teil der Unterführung mit dem Vorplatz des Bahnhofes verband.
    Über den blau unterlegten Leuchtanzeigen mit symbolischen Zeichnungen, die zu Bus, Taxi, Restaurant und Wechselstube den Weg anzeigten, ein mächtiges Gemälde, das mich in Farbe, Art und Strichführung an jenes riesenhafte Rondell in Innsbruck erinnerte, das in einer 360-Grad-Anordnung die historische Schlacht 1809 am Bergisel darstellte. Auch auf diesem Gemälde stand ein Mann mit Bart, auf einen Stock gestützt, der verträumt in eine Talsenke blickte. Um ihn herum lagerte eine Schafherde, die, von den letzten Sonnenstrahlen erwärmt, sich offensichtlich bereits zur Nachtruhe begeben hatte. Im Hintergrund Bergketten, teilweise schneebedeckt, teils im Schatten, teils noch von der Abendsonne beleuchtet. „Bernina Glacier“ stand links unter dem Gemälde. Der rechte Teil war mit „Engadine Grisonc“ betitelt und ließ jeden Betrachter zweifeln, ob diese Worte nun etwas über das Gemälde aussagten oder die Richtung anzeigten, in die man sich bewegen konnte.
    Ich fuhr die kleine Rolltreppe hinunter und wurde wie viele andere auch geradezu nahtlos übergehend auf den Bahnhofsvorplatz gespuckt. Hotels, Fluglinien und Banken prägten das Bild. Unzählige Zeitungsständer, bei denen man freiwillig eingeladen wurde, ein paar Münzen einzuwerfen, um sich anschließend die Zeitung selbst zu nehmen. Der scheinbar tägliche Test der Ehrlichkeit.
    Auf einer weißen Litfasssäule ein kleiner Stadtplan in bunten Farben. Die Parks grün, größere Gebäude hellbraun, Straßen weiß und der See in einem tiefen Blau. Stadtteile: Servette, Pâquis sowie Cité südlich des Sees und dort, wo offensichtlich ein kleines Inselchen die Überbrückung der Rhône etwas erleichterte, zum ersten Mal der Name, der mich kurzzeitig zusammenzucken ließ – Pont de la Machine.
    Er hatte mich hierher bestellt, für Punkt 21.00 Uhr. Für ein Gespräch, das vieles verändern sollte – Pont de la Machine. Warum gerade hier? Warum auf dieser Brücke? Warum in dieser Stadt? Ich wusste es nicht. Ein paar Tropfen hatten die Straße gerade befeuchtet, aber nicht wirklich abgewaschen, und trotzdem sang ein junger Mann, mit einer Weinflasche in der Hand, „I’m singing in the rain“, wobei er tänzelnd über den Bahnhofsvorplatz taumelte.
    Ich wollte die Zeit nützen und mich noch umsehen, um nicht vollkommen unvorbereitet an jenem Treffpunkt zu erscheinen, der vorgesehen war. Ich überquerte den Bahnhofsvorplatz, vorbei am Hotel Cornavin, in dem vor 6 Jahren Mister Kakes aus Carouge mit 30 Metern die höchste Pendeluhr der Welt eingebaut hatte, um mich wieder rasch unter die Bäume der kleinen Steinkirche zu ducken, die den Platz gegen Westen abgrenzte. Inter national bekannte Hotelketten warben mit großen Leuchtbuch staben ebenso wie sogar mir bekannte Uhrenmarken. Zwei Schmuckgeschäfte zwängten sich zwischen ein pakistanisches Restaurant und ein indisches Pub.
    Konnte ich sicher sein, dass er nicht schon lange wusste, dass ich hier war? Durfte ich noch davon ausgehen, dass ich mich frei bewegen konnte, ohne dass er nicht schon lange jeden meiner Schritte verfolgte? Er wusste mit Sicherheit, wie ich aussah, aber ich kannte bisher nur sein Verhalten. Ich wusste nur, dass er intelligent und misstrauisch, gekränkt und verbittert war. Ich konnte nicht einmal sicher davon ausgehen, dass er überhaupt hier in Genf auf mich wartete. Aber bei seiner Zwanghaftigkeit war es ihm andererseits kaum möglich, einen Termin zu vereinbaren und ihn dann nicht einzuhalten.
    Rue de Chantepoulet, British Airways, Quantas, Edelweiß Air und Air Egypt. Zwei Hotels, Schmuckgeschäfte, Air Marokk, Iran Air. Dazwischen fast verstohlen eine Pharmazie mit einem grünen Kreuz. Diese Stadt war anders. Sie war schon international, ohne dass man jemand sprechen hörte. Und neben der Air India versprach die Librairie Internationale in einer zweiten Sprache „International Bookshop“ internationale Literatur. Ein großes Sandsteingebäude an der Ecke Rue du Mont-Blanc mit mächtigen Säulen, schmiedeeisernen Gittern und in goldenen Buchstaben herausgehauenen Aufzählungen unterschiedlicher europäischer Staaten in französischer Sprache und dem Schriftzug „Hôtel de Poste“ auf einer grünlichen, etwa 8 Meter langen

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