Gilbert, Elizabeth
hatten, schenkte ich Klein-Ketut eine
Barbie-Puppe, die sie erstaunt auspackte und dann betrachtete, als wäre sie
ein Ticket für eine Reise auf den Jupiter - etwas, womit sie auch in sieben
Milliarden Lichtjahren nicht gerechnet hätte.
Alles an dieser Party war irgendwie seltsam. Die Gäste
bildeten eine eigentümliche Mischung unterschiedlicher Nationen und
Generationen, bestehend aus einer Hand voll Freunde, Wayans Familie sowie
einigen ihrer westlichen Kunden und Patienten, die ich noch nie gesehen hatte.
Yudhi kam mit einem Sixpack zum Gratulieren, und auch der coole junge
Hipster-Drehbuchschreiber aus L, A. namens Adam schaute vorbei. Felipe und ich
hatten Adam am Abend zuvor in einer Bar getroffen und ihn eingeladen. Adam und
Yudhi vertrieben sich die Zeit, indem sie sich mit einem kleinen Jungen namens
John unterhielten, dessen Mutter, eine deutsche Modedesignerin und Patientin
von Wayan, mit einem auf Bali lebenden Amerikaner verheiratet ist. Der kleine
John, sieben Jahre alt und wegen seines amerikanischen Dad »irgendwie
amerikanisch«, wie er selbst sagte (obwohl er nie in Amerika war), der aber mit
seiner Mutter Deutsch und mit Wayans Kindern Indonesisch spricht, war völlig
vernarrt in Adam, denn er hatte gehört, dass er aus Kalifornien war und surfen
konnte.
»Welches ist Ihr Lieblingstier, Mister?«, fragte
John, und Adam erwiderte: »Der Pelikan.«
»Pelikan?«, fragte der kleine Junge, und Yudhi mischte
sich ein und sagte: »Mann, weißt du nicht, was ein Pelikan ist? Geh nach Hause,
Mensch, und frag deinen Dad. Pelikane sind geil, Mann.«
Da wandte sich John, der »irgendwie amerikanische« Junge,
auf Indonesisch an Tutti (wohl um sie zu fragen, was ein Pelikan war), die, auf
Felipes Schoß sitzend, meine Geburtstagskarten zu lesen versuchte. Felipe
parlierte auf Französisch mit einem pensionierten Herrn aus Paris, der sich
bei Wayan einer Nierenbehandlung unterzieht. Inzwischen hatte Wayan das Radio
eingeschaltet, und Kenny Rogers sang Coward of the County, während
drei japanische Mädchen, die sich zufällig in den Laden verirrt hatten,
fragten, ob sie sich massieren lassen könnten. Während ich die Japanerinnen zu
einem Stück Geburtstagskuchen zu überreden versuchte, schmückten die große und
die kleine Ketut mein Haar mit den riesigen Sternenbaretts, die sie mir
geschenkt und für deren Kauf sie ihre gesamten Ersparnisse zusammengelegt
hatten. Wayans Nichten und Neffen, diese kleinen Tempeltänzer, Kinder von
Reisbauern, rührten sich kaum von der Stelle und schauten, in Gold gewandet wie
Miniaturgottheiten, zu Boden; sie erfüllten den Raum mit einer seltsamen und
weltfernen Göttlichkeit. Draußen begannen die Hähne zu krähen, obwohl es noch
nicht Abend war. Meine balinesische Tracht beengte mich wie eine
leidenschaftliche Umarmung, und mir war, als sei dies die merkwürdigste -
aber vielleicht auch die glücklichste - Geburtstagsparty meines Lebens.
103
Immer noch hat Wayan kein Haus gekauft, und allmählich
mache ich mir Sorgen. Ich begreife nicht, warum in dieser Angelegenheit nichts
passiert, und trotzdem muss etwas geschehen. Inzwischen sind Felipe und ich
aktiv geworden. Haben einen Immobilienmakler gefunden, der uns herumführt und
Grundstücke zeigt, doch bisher hat Wayan keines gefallen. Sagt ihr dann aber
doch eines zu, so stellen wir fest, dass es zu teuer ist oder nicht zum Verkauf
steht. Immer wieder schärfe ich ihr ein: »Wayan, es ist wichtig, dass wir was
kaufen. Im September reise ich ab, und vorher muss ich meine Freunde wissen
lassen, dass wir von ihrem Geld tatsächlich ein Haus für dich gekauft haben.
Und du brauchst ein Dach über dem Kopf, ehe deine Wohnung zwangsgeräumt wird.«
»Land kaufen in Bali nicht so leicht«, erklärt sie mir immer
wieder. »Nicht wie Bar gehen und Bier bestellen. Kann sehr, sehr lange dauern.«
»Wir haben aber nicht viel Zeit, Wayan. Wir haben nur noch
etwa vier Wochen. Ich kann nicht nach Hause fahren und meinen Freunden
gegenübertreten, ehe die Sache unter Dach und Fach ist.«
Sie zuckt nur die Achseln, und ich denke wieder einmal an
den balinesischen Ausdruck »Gummizeit«, der bedeutet, dass Zeit ein sehr
relativer und dehnbarer Begriff ist. »Vier Wochen« heißt für Wayan im Grunde
nicht dasselbe wie für mich. Und ein Tag hat für sie auch nicht unbedingt
vierundzwanzig Stunden; manchmal ist er länger, manchmal kürzer, je nach
spirituellem und emotionalem Gehalt. Manchmal werden die Tage gezählt
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