Gilbert, Elizabeth
und
allmählich erfüllte mich das großartige Gefühl, beschützt zu sein, umgeben vom
kollektiven guten Willen so vieler mächtiger Geister.
Schließlich erschöpfte sich die Liste und gleichzeitig
auch meine Angst. Ich fühlte mich schläfrig. »Mach ein Nickerchen«, sagte Iva.
»Ich fahre.« Ich schloss die Augen. Noch ein letzter Name tauchte auf. »Michael
J. Fox hat unterschrieben«, murmelte ich und döste langsam ein.
Ich weiß nicht, wie lange ich schlief, vielleicht nur zehn
Minuten, aber es war ein tiefer Schlaf. Als ich erwachte, fuhr Iva immer noch.
Sie summte ein Liedchen vor sich hin. Ich gähnte.
Mein Handy klingelte.
Ich blickte auf das verrückte telefonino, das da im Aschenbecher des Mietwagens vor lauter Aufgeregtheit
vibrierte. Ich war verwirrt, irgendwie »high« von meinem Nickerchen und wusste
auf einmal nicht mehr, wie ein Telefon funktioniert.
»Geh ran«, sagte Iva, die schon Bescheid wusste. »Antworte!«
Ich griff nach dem Handy, flüsterte: »Hallo.«
»Gute Nachrichten!«, verkündete meine Anwältin aus dem
fernen New York. »Gerade hat er unterschrieben!«
10
Wenige Wochen später lebe ich schon in Italien.
Ich habe meinen Job gekündigt, die Abfindung und die
Anwaltsrechnungen bezahlt, mein Haus aufgegeben und meine Wohnung, alles, was
mir an Habseligkeiten geblieben ist, bei meiner Schwester deponiert und zwei
Koffer gepackt. Mein Reisejahr hat begonnen. Und ich kann es mir wirklich leisten, weil ein
Wunder geschehen ist: Mein Verleger hat das Buch, das ich über meine Reisen
schreiben werde, schon im Voraus gekauft. Mit anderen Worten, alles hat sich
genau so entwickelt, wie es der indonesische Medizinmann vorausgesagt hatte.
Ich würde mein ganzes Geld verlieren, es aber sofort wieder ersetzt bekommen.
Und so bin ich jetzt eine Einwohnerin Roms. Die Wohnung,
die ich gefunden habe, ist ein ruhiges Einzimmerappartement in einem
historischen Gebäude, nur wenige Schritte von der Spanischen Treppe entfernt,
unterhalb der anmutigen Schatten der Borghese-Gärten und direkt an der Straße
zur Piazza del Popolo. Natürlich besitzt diese Gegend nicht die Erhabenheit
meines alten New Yorker Viertels, aber trotzdem ...
Ich bin's zufrieden.
11
Meine erste Mahlzeit in Rom war nicht besonders üppig. Nur
hausgemachte Nudeln (Spaghetti alla carbonara) mit einer
Beilage aus sautiertem Spinat und Knoblauch. (Über die italienische Küche
schrieb der große romantische Dichter Shelley einmal einen entsetzten Brief an
einen Freund in England: »Junge Damen von Stand essen tatsächlich - du wirst es
nie erraten - Knoblauch!«) Auch eine Artischocke aß ich, nur
um sie zu kosten; die Römer sind furchtbar stolz auf ihre Artischocken. Und
dann gab es noch eine überraschende Gratisbeilage: frittierte Zucchiniblüten
mit einer weichen Käsefüllung (die Blüten waren so delikat zubereitet, dass sie
wahrscheinlich nicht einmal bemerkt hatten, dass sie nicht mehr am Stängel
saßen). Nach den Spaghetti probierte ich das Kalbfleisch. Oh, und ich trank
auch eine Flasche vom roten Hauswein, ganz allein. Und aß warmes Brot mit
Olivenöl. Und zum Nachtisch Tiramisu.
Als ich nach diesem Mahl gegen elf Uhr nach Hause ging,
hörte ich aus einem der Gebäude in meiner Straße Lärm dringen, Geräusche, die
nach einer Versammlung von Siebenjährigen klangen - eine Geburtstagsfeier
vielleicht? Ich stieg die Treppe zu meiner Wohnung hinauf, legte mich in mein
Bett und machte das Licht aus. Ich wartete auf die Tränen, die sorgenvollen
Gedanken, die mich gewöhnlich im Dunkeln überkamen, aber ich fühlte mich prima.
Fühlte so etwas wie die Anfangssymptome der Zufriedenheit.
Und mein müder Körper fragte meinen müden Geist: »Mehr
hast du also nicht gebraucht?«
Die Antwort blieb mein Geist schuldig, denn ich schlief
bereits tief und fest.
12
In den großen Städten der westlichen Welt ist vieles
ähnlich. Die gleichen Afrikaner verkaufen überall Billigkopien derselben Designerhandtaschen
und -Sonnenbrillen, und die gleichen guatemaltekischen Musikanten spielen auf
ihren Bambusflöten immerfort I'd rather be a sparrow than a snail. Aber manches gibt es nur in Rom. Beispielsweise den Mann am
Sandwichstand, der mich jedes Mal, wenn wir miteinander sprechen, »Schöne«
nennt. Möchtest du dieses Panino gegrillt oder kalt, bella?
Und dann die vielen Brunnen. Plinius der Ältere schrieb
seinerzeit: »Wenn sich einmal jemand die großzügige öffentliche
Wasserversorgung
Weitere Kostenlose Bücher