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Gilde der Jäger 01 - Engelskuss

Gilde der Jäger 01 - Engelskuss

Titel: Gilde der Jäger 01 - Engelskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N. Singh
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Treffpunkt galt nur für einen Engel. Selbst bei den Engeln gab es eine Hackordnung, und sie wusste recht gut, wer das Sagen hatte. Ebose mochte mächtig sein, doch war er wohl kaum mit einem Erzengel aus dem Kader der Zehn bekannt, die allein entschieden, wer von welchem Schöpfer neu erschaffen würde.
    »Haben Sie damit Schwierigkeiten?«
    Bei den leise hervorgebrachten Worten des Anführers riss Elena den Kopf hoch. »Nein, natürlich nicht.« Mit gespieltem Interesse blickte sie auf ihre Uhr. »Ich muss los. Bitte grüßen Sie Mr Ebose von mir.« Damit ließ sie den luxuriösen Innenraum des Privatjets und den beißenden Angstgestank seiner Fracht hinter sich.
    Bislang war sie noch nicht dahintergekommen, warum so viele Schwachköpfe verwandelt wurden. Vielleicht waren sie anfänglich noch in Ordnung, doch nachdem sie ein paar Jahre Blut getrunken hatten, entpuppten sie sich als richtige Idioten. Wer, zum Teufel, konnte schon sagen, was dieses Zeug im Gehirn anrichtete! Doch ihr letzter Fang ließ sich mit dieser Vermutung nicht erklären– er existierte ja höchstens erst seit zwei Jahren.
    Achselzuckend kletterte sie in den Wagen. Und gerade weil sie den Umschlag am liebsten ungeduldig mit den Zähnen aufgerissen hätte, wartete Elena, bis sie in ihrem behaglichen Heim, ihrer mit viel Liebe eingerichteten Wohnung in Lower Manhattan war. Als Ausgleich zu der vielen Zeit, die sie damit verbrachten, moralischen Abfall zu jagen, verwandelten die meisten Jägerinnen und Jäger ihr Zuhause in heimelige Zufluchtsstätten. Elena war da keine Ausnahme.
    Sobald sie die Wohnung betreten hatte, schleuderte sie die Schuhe von sich und ging schnurstracks ins Badezimmer. Für gewöhnlich folgte sie einem bestimmten Ritual, um sich vom Schmutz des Tages zu reinigen, um dann in Cremes und Parfums zu schwelgen. Ransom fand ihre mädchenhaften Neigungen über die Maßen komisch und zog sie fortwährend damit auf, doch als er das letzte Mal eine große Lippe riskierte, hatte sie sich bei ihm revanchiert, indem sie betonte, wie gut seinen langen schwarzen Haaren die Pflegespülung getan hätte.
    An diesem Abend jedoch hatte sie weder Lust noch Geduld, sich lange mit dem Reinigungsritual aufzuhalten. Rasch spülte sie den penetranten Angstgeruch des Vampirs von ihrer Haut und schlüpfte in ihren Baumwollschlafanzug. Beim Kaffeekochen bürstete sie sich noch kurz das Haar, dann begab sie sich mit einem vollen Kaffeebecher zu ihrem Couchtisch und zwang sich, ihn vorsichtig auf einem Untersetzer abzustellen. Erst dann gab sie ihrer unbändigen Neugier nach und riss den Umschlag rasch auf.
    Das Papier war dick, das Wasserzeichen elegant… und der Name unten auf der Seite jagte ihr solche Angst ein, dass sie am liebsten ihre Siebensachen gepackt und davongerannt wäre. Zum unbekanntesten und entlegensten Winkel der Welt.
    Ungläubig ließ sie ihre Blicke ein zweites Mal über den Brief wandern. Doch an den Worten hatte sich nichts geändert.
    Ich würde mich freuen, wenn Sie mir beim Frühstück Gesellschaft leisten würden. Acht Uhr.
    Raphael
    Eine Adresse stand nicht dabei, aber das war auch nicht nötig. Elena schaute hoch. Von dem riesigen Spiegelglasfenster aus, das diese Wohnung so horrend teuer– und reizvoll– machte, konnte sie die lichtdurchflutete Säule erkennen, den Erzengelturm dieser Stadt. Und den Engeln dabei heimlich zuzusehen, wie sie von den oberen Balkonen abflogen, war eine große Freude für sie.
    In der Nacht waren sie sanfte, dunkle Schatten. Doch am Tag strahlten ihre Flügel in der Sonne, ihre Bewegungen waren so unglaublich anmutig. Sie kamen und gingen während des Tages, aber manchmal saßen sie auch einfach nur oben auf den Balkonen und ließen ihre Beine baumeln. Wahrscheinlich waren es die jüngeren Engel, wobei Jugend hier ein relativer Begriff war.
    Auch wenn Elena wusste, dass die meisten von ihnen Jahrzehnte älter waren als sie, brachte sie ihr Anblick zum Schmunzeln. Es war der einzige Moment, in dem sie sich annähernd normal verhielten. In der Regel waren Engel kühl und unnahbar, so weit entfernt vom Alltag der Menschen, dass sie sich jenseits menschlicher Vorstellungskraft bewegten.
    Morgen würde auch sie hoch oben in diesem Turm aus Glas und Licht sein. Doch würde sie sich nicht mit einem der jüngeren, eventuell weniger unnahbaren Engel treffen. Nein, sie würde morgen dem Erzengel persönlich gegenübersitzen.
    Raphael.
    Elena wurde übel bei dem Gedanken.
    2
    Nachdem sie den

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