Gildenhaus Thendara
dämmerigen Ecke des Raums. „Wenn die Männer sehen, daß wir Frauen uns nicht nach zivilisierten Verhaltensregeln richten, werden sie sich umso eher gegen uns stellen”
„Zivilisierte Verhaltensregeln! Ihre Regeln!” schnaubte Janetta. Mutter Lauria ignorierte sie.
„Keitha, haßtest du jene Männer? Oder wolltest du alle Männer in ihnen bestraft sehen?”
„Ich hasse Shann”, gestand Keitha leise. „Ich möchte ihn tot zu meinen Füßen liegen sehen - ich erwache aus Träumen, in denen ich ihn töte! Ist hier nicht eine, die schon einmal einen Mann gehaßt hat?”
„Es wird nicht eine hier sein, die es niemals getan hat”, warf Rafaella ein, doch Mutter Lauria fuhr fort, als habe sie sie nicht gehört. „Haß kann eine stärkere Fessel sein als Liebe. Solange du ihn haßt, bist du immer noch an ihn gebunden”
Camilla fügte hinzu: „Wenn du einen Menschen haßt und nicht in der Lage bist, ihm Schaden zuzufügen, kann dein Haß dich dazu bringen, daß du gegen dich selbst wütest. Ich habe meine Weiblichkeit geopfert, damit kein Mann mich jemals wieder mit Begehren ansehen sollte. Das hat mich mein Haß gekostet”
Magda dachte an die schreckliche Geschichte, die Camilla ihr erzählt hatte, und es erstaunte sie, daß die Stimme der Älteren so ruhig klang. Keitha flammte auf: „Und ist das ein so hoher Preis? Du weißt gar nicht, was dir erspart worden ist!”
Camillas Stimme klang hart. „Und du weißt nicht, wovon du redest, Eidestochter!”
„Bist du nicht aus dem Grund Söldnerin geworden? Um Männer aus Rache für die Wahl, die sie dir aufgezwungen haben, zu töten?” fragte Keitha. In das Schweigen hinein sagte Jaelle: „Ich kenne Camilla seit meinem zwölften Lebensjahr. Niemals hat sie einen Mann ohne Not oder aus Rache getötet”
„Ich kämpfe oft an der Seite von Männern”, sprach Camilla, „und ich nenne sie Kameraden und Gefährten. Ich hasse keinen Mann auf der Welt, und ich habe gelernt, niemandem die Schuld an einem Unrecht zu geben, das ein anderer begangen hat. Ja, ich habe gekämpft, und ich habe getötet, aber ich kann bewundern und respektieren und manchmal sogar lieben, wo die Liebe verdient ist”
„Aber du”, behauptete Keitha, „du bist keine Frau mehr”
Camilla zuckte leicht die Schultern. „Meinst du?” Magda fragte sich, ob sie sich den Schmerz in den Augen Camillas nur einbilde.
Hinter ihr sagte Jaelle etwas mit deutlicher Stimme, und dann erkannte Magda bestürzt, daß sie irgendwie Jaelles Gedanken las, die niemand außer ihr hören konnte: Camilla ist nicht weniger meine Pflegemutter gewesen als Kindra - vielleicht mehr, da sie kein Kind hatte und wußte, sie würde nie eins haben. Ich liebe Camilla, aber auf eine ganz andere Art, als ich Piedro liebe. Ich liebe ihn…manchmal… und zu anderen Zeiten kann ich mir nicht einmal vorstellen, warum er mir je gefallen hat. Niemals, niemals würde ich diese Haltung gegen eine meiner Schwestern einnehmen… In einem verzweifelten Versuch, das Thema in den Bereich des Intellekts zu verweisen und so Abstand dazu zu gewinnen, dachte Magda daran, daß hier eine Menge über den Unterschied zwischen Männern und Frauen geredet worden war, ohne daß eine einzige Antwort sie wirklich befriedigt hatte. Sie konnte schwanger werden, Peter nicht, das war der einzige Unterschied, den sie in der Welt der Terraner sah. Die gefährlichste aller Verwundbarkeiten war ihnen nicht gemeinsam. Und dann war ihr, als habe ihr ganzes Gefühl für Werte sich auf den Kopf gestellt. Peter war von ihr abhängig gewesen
und war es jetzt von Jaelle, wenn er den Sohn haben wollte, den er sich so leidenschaftlich wünschte…Früher hatte sie immer sich als die Person gesehen, die alle Risiken auf sich nehmen mußte, aber jetzt, wo Jaelle ihm einen Sohn schenken konnte, falls sie es wollte, falls sie es wollte… jetzt war er auf Jaelles Gnade angewiesen wie früher auf die ihre. Sie erkannte es fast mit Mitleid. Und dann durchfuhr es sie wie ein Blitz: Ist Jaelle schwanger? Die Verbindung riß, und Magda war wieder allein, verwirrt, unfähig zu sagen, welche Gedanken ihre eigenen waren und welche von anderswo kamen. Sie hatte einen Teil von dem, was Camilla sagte, verpaßt. „Ich habe mir gewaltige Mühe gegeben, um zu beweisen, daß ich ebenso gut bin wie jeder Mann oder besser, aber darüber bin ich jetzt hinaus. Ich kann mich zu meiner Weiblichkeit bekennen, und ich brauche sie dir nicht zu beweisen. Warum stört es dich, mich als Frau zu
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