Gildenhaus Thendara
nachdenklich: „Ich glaube, einige von uns haben vergessen, wie es während der Ausbildung war. Rafi hat recht; ich hätte es nicht geschafft, aber es ist auch nicht von mir verlangt worden. Vielleicht haben wir deswegen zuviel von ihr verlangt, weil sie Jaelles Eidestochter ist” Die dritte der Gildenmütter, die während des ganzen Vorgangs geschwiegen hatte - Magda erinnerte sich, daß sie gehört hatte, sie sei Richterin am Schiedsgericht, und fragte sich, ob sie aus diesem Grund keinen Anteil an der Sache genommen hatte - ließ ihre rostige alte Stimme hören: „Wir wollen alle eine Lehre daraus ziehen, wie wir uns verhalten haben. Keine von uns ist mehr als Fleisch und Blut, und wir dürfen einer Schwester nicht mehr auferlegen, als wir selbst zu tragen bereit wären. Das gilt für Rafaella und Doria ebenso wie für Margali.”
Rafaella saß an Jaelles Schulter gelehnt da. Jetzt drehte sie sich um, streckte Magda ihre Hand entgegen und sagte: „Janetta hat recht, ich hatte vergessen, wie einem während des Hausjahrs zumute ist, und ich war heute nachmittag böse auf dich, weil du mir klarmachtest, was ich Doria antue. Ich… ich möchte sie nicht verlieren. Aber ich sehe ein, daß ich ihre Ausbildung zu ihrem eigenen Besten anderen überlassen muß. Willst du mir verzeihen?”
Verlegen ergriff Magda Rafaellas Hand. „Ich hätte es taktvoller ausdrücken sollen. Ich war grob…”
„Wir waren beide grob” Rafaella lächelte. „Frage einmal Camilla danach, wozu ich fähig bin.. ” Lachend hob sie ihr Gesicht der alten emmasca entgegen. „Als wir beide zusammen in der Ausbildung waren, sind wir mit den Messern aufeinander losgegangen! Dafür hätten wir beide weggeschickt werden können!”
„Was hat man mit euch gemacht?” fragte Magda. Camilla drückte Rafaellas Schulter und lachte.
„Man hat uns zehn Tage lang mit Handschellen aneinandergefesselt. In den ersten Tagen haben wir uns nur gezankt und angeschrieen. Dann entdeckten wir, daß wir ohne die Hilfe der anderen nichts tun konnten, und so wurden wir Freundinnen. Das geschieht heute nicht mehr, nicht in diesem Haus…”
„Wir haben seitdem auch nie wieder Kandidatinnen gehabt, die die Messer gegeneinander gezogen haben”, kommentierte Mutter Lauria lächelnd. „Doch wir haben aus dieser Angelegenheit noch nicht alles gelernt, was wir lernen können. Es schmerzt immer noch, davon zu sprechen, aber wir müssen davon sprechen, weil es schmerzt. Keitha, dein Eid ist nicht in Frage gestellt worden, und du stehst hier nicht vor Gericht. Trotzdem bitte ich dich, uns zu sagen, warum du, als Margali den Schwertkämpfer, der sich ergeben hatte, verwundete, laut erklärtest, wir hätten sie alle töten sollen”
Magda mußte anerkennen, daß die alte Frau eine gute Psychologin war. Während ihr eine Last von den Schultern genommen wurde, hatte sie doch nicht das Gefühl, Keitha werde an ihrer Stelle angegriffen. Es war nur eine Herausforderung, wie sie bei den Schulungssitzungen üblich waren. Keitha nahm sich Zeit, ihre Antwort zu formulieren, denn sie wußte, ihre Worte würden zerfetzt werden, kaum daß sie ihren Mund verlassen hatten. Schließlich sagte sie: „Shann hatte kein Recht, mir hierher zu folgen - er hätte einige von euch getötet, ganz bestimmt
Camilla, mich gegen meinen Willen fortgeschleppt, mich vergewaltigt - bei der Göttin!” platzte sie heraus, „in dem Augenblick habe ich mir gewünscht, Margalis Geschick mit dem Schwert zu besitzen, damit ich ihn selbst hätte töten und meinen Eidesschwestern die Arbeit hätte ersparen können!”
„Aber”, gab Camilla zu bedenken, „die Männer in Shanns Begleitung waren nur gemietete Kämpfer, die dem Ehrenkodex des Schwertes folgten. Als er zu Boden ging, ergaben sie sich sofort. Welchen Streit hast du mit ihnen, Eidestochter?”
„Ein Mann, der sein Schwert zu einem so unmoralischen Zweck verdingt hat er sich nicht des Schutzes begeben? Wenn nicht des Schutzes, den ihm die Gesetze der Männer bieten, dann doch zumindest den unserer Gesetze?” Rezi erklärte leidenschaftlich: „Keitha spricht mir aus dem Herzen! Jene Männer, die an der Seite Shanns fochten, hatten sich mit dem, was er tat, einverstanden erklärt und hätten ihre eigenen Frauen ebenso behandelt wieso verdienten sie es, besser behandelt zu werden als er?”
Camillas sanfte Stimme - so feminin, fiel es Magda plötzlich auf, trotz ihres mageren, eckigen Körpers und der abrupten Manieren - erklang aus einer
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