GK0070 - Die Armee der Unsichtbaren
doch eben die Personalien auf.«
Sergeant Haskell war Simmons’ Assistent. Er war ein noch junger Mann mit dunkelbraunem Haar und tief in den Höhlen liegenden Augen.
Er notierte sich die Namen der Anwesenden, während der Inspektor sich umsah.
»Wo sind eigentlich die anderen Gäste?« wandte er sich an den Geschäftsführer.
»Die – die haben das Restaurant verlassen.«
Dem Polizeibeamten wäre bald die Pfeife aus dem Mund gefallen. »Das gibt’s doch nicht«, stöhnte er. »Mann, wie konnten Sie es zulassen, daß wichtige Zeugen so mir nichts, dir nichts verschwinden? Ja – sind Sie denn wahnsinnig?«
»Die anderen haben sowieso nichts gesehen«, sagte Sir Arthur Wittingham.
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Weil meine Frau und ich die einzigen Zeugen waren, Inspektor. So, und nun lassen Sie mich berichten. Der Fall ist verdammt mysteriös.«
Inspektor Simmons zog die Stirn kraus und hörte zu.
Was Sir Arthur Wittingham berichtete, klang tatsächlich unglaublich.
Demnach hatte plötzlich ein Rasiermesser mitten in der Luft geschwebt und dem Ober die Kehle zerfetzt.
»So und nicht anders ist es gewesen!« behauptete Wittingham.
Simmons kratzte sich seinen Schädel. »Und das soll ich Ihnen glauben?«
»Das ist Ihre Sache. Ich für meinen Teil werde diese Aussage auch vor einem Richter wiederholen. Das steht fest.«
»Und Sie haben nichts gesehen?« fragte Simmons den Geschäftsführer, weil er sich mit Wittingham auf keine Diskussion mehr einlassen wollte.
»Nein, Inspektor.«
Zwei Männer der Mordkommission suchten inzwischen den Boden ab. »Kein Messer zu finden!« meldete Sergeant Haskell.
»Dann hat es der Mörder mitgenommen.«
»Aber ein unsichtbarer Mörder«, sagte Sir Arthur.
»Entschuldigen Sie, daran kann ich nicht glauben. Der Täter muß sich unter den Gästen befunden haben.« Der Inspektor tippte dem Geschäftsführer gegen die Brust. »War es eine geschlossene Gesellschaft? Haben Sie eine Namensliste?«
»Nein.«
»Auch das noch. Himmel, das gibt eine Arbeit.«
»Aber Sie glauben doch nicht, Inspektor, daß sich unter unserem Publikum ein Mörder befindet. Hier verkehren die besten Kreise Londons. Der gesamte Hochadel war schon bei uns zu Gast. Selbst die Queen hat…«
Simmons winkte ab. »Ich bin lange genug in diesem Job, um mir meine eigene Meinung zu bilden.«
Er bat das Ehepaar Wittingham, Platz zu machen, damit seine Leute ungestört arbeiten konnten. Elizabeth Wittingham hatte sich wieder einigermaßen erholt.
Sie bestätigte auch die Angaben ihres Mannes.
Wenig später kamen die Reporter. Wie eine Hammelherde drängten sie sich in das Restaurant.
»Inspektor Simmons!« schrie einer. »Was war los? Stimmt das, was man sich erzählt?«
»Was erzählt man sich?« Simmons stemmte angriffslustig seine Fäuste in die Hüften.
»Daß hier ein Geist gemordet haben soll.«
Die anderen Zeitungsfritzen stimmten ein wieherndes Gelächter an.
»Unsinn«, rief Simmons. »Tatsache ist, daß man hier einen Kellner auf bestialische Weise umgebracht hat. Mehr kann und will ich Ihnen nicht sagen.«
»Das reicht. Einen Mord in einem Luxusrestaurant hatten wir noch nie.«
Von draußen waren inzwischen mehrere Polizisten hereingekommen. Sie drängten die Reporter wieder ins Freie.
Nachdenklich zündete sich Inspektor Simmons seine Pfeife an. Da tippte ihm jemand auf die Schulter. Es war Sir Arthur Wittingham.
»Ich sage es Ihnen noch einmal, Inspektor. Es ist ein unsichtbarer Mörder gewesen. Und ich habe das Gefühl, daß dieser Mord nicht der einzige gewesen ist.«
»Ach, woher?« brummte Simmons. »Hinterher stellt sich Ihre Theorie bestimmt als Hirngespinst heraus.«
Doch hier irrte der gute Inspektor. Das Hirngespinst sollte bald einen gesamten Kontinent in Schrecken versetzen.
***
Das Zuchthaus lag nördlich der Stadt York inmitten einer menschenleeren Einöde.
Der große Gefangenenkomplex stammte noch aus den letzten Jahren des vorigen Jahrhunderts und galt als absolut ausbruchssicher.
Die hohe Mauer, die sich um das Zuchthaus zog, bestand aus dicken Quadersteinen und war zusätzlich noch durch eine Elektrofalle gesichert. Vier eckige hohe Türme, besetzt mit bewaffneten Wachtposten, taten ihr übriges, um einen Ausbruchsversuch von vornherein zum Scheitern zu verurteilen.
Das nächste Dorf lag weit weg. Zwischen ihm und dem Zuchthaus gab es nur eine öde Sumpfgegend, in der sich höchstens die Tiere wohl fühlten.
Das traurige Novemberwetter ließ die
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