GK0137 - Das Todeskabinett
Gelbrot flackerte die Flamme des Zündholzes auf, beleuchtete für Sekunden das harte männliche Gesicht eines jungen Mannes. Eine Zigarette glühte, der Mann räusperte sich.
Das Streichholz verlosch. Würziger Rauch fächerte durch die Zweige des Strauches, hinter dem der Mann sich verborgen hielt.
Er wartete. Wartete auf Milly Day, ein bezauberndes junges Mädchen mit langen weizenblonden Haaren. Seit drei Tagen kannte er sie jetzt, und sie hatten sich von Beginn an sofort ausgezeichnet verstanden.
Rasch hintereinander glühte die Spitze der Zigarette auf, zeugte davon, wie hastig der junge Mann rauchte.
Ja, er war tatsächlich aufgeregt. Eine unerklärliche Angst hielt ihn umklammert. Eine Angst, die ihn jedesmal packte, wenn er sich mit einem Girl verabredet hatte. Er wußte auch nicht, woher diese Angst kam, und niemals vorher war es zu einem Treffen gekommen. Der junge Mann war immer kurz vor der verabredeten Zeit verschwunden. Die Angst in ihm hatte gesiegt.
Doch heute sollte es anders werden!
An diesem Abend wollte er dieses belastende unselige Gefühl endlich einmal unterdrücken. Er wollte leben und lieben wie ein normaler junger Mann.
Schritte drangen an seine Ohren!
Milly kam. Endlich!
Der Mann leckte sich aufgeregt über die Lippen. Wieder war der Drang in ihm wegzulaufen, doch er kämpfte dagegen an.
Und diesmal mit Erfolg.
Die Schritte stockten, eine Schuhsohle raschelte über verfaultes Laub.
»Larry?«
Die Frage war nur ein Hauch. Unsicher, ängstlich.
»Hier bin ich, Milly!« Larry Harker warf die Zigarettenkippe zu Boden und trat sie mit dem Absatz aus. Mit beiden Händen schob er die Zweige zur Seite und drängte sich aus dem Gebüsch. Nasse Spinnweben blieben an seiner Stirn kleben. Es störte ihn nicht.
Milly hatte ihm das Profil zugewandt, suchte ihn in einer anderen Richtung.
»Ich bin hier«, sagte Larry Harker und breitete gleichzeitig die Arme aus.
Milly flog ihm an die Brust. »O Larry«, flüsterte sie. »Du ahnst gar nicht, wie sehr ich mich danach gesehnt habe, endlich mit dir allein sein zu können.«
Der junge Mann preßte das blondhaarige Mädchen fest an sich. Seine Finger streichelten seinen Rücken, das Gesicht hatte er in dem weizenblonden Haar vergraben.
Minutenlang genossen die beiden jungen Menschen das Glücksgefühl, völlig allein zu sein. Sie sagten kein Wort, sondern standen nur dicht aneinandergeschmiegt beisammen.
Milly war es, die sich löste. Sie hob den Kopf und blickte Larry an. »Wohin gehen wir?« fragte sie mit belegter Stimme, obwohl sie die Antwort schon vorher wußte.
»In das Gartenhaus.«
»Und du meinst, wir sind wirklich allein?«
»Ja.«
»Dann komm, und laß uns nicht länger warten.«
Milly zog den jungen Mann einfach mit sich fort. Sie hielt seine Hand fest umschlossen, als hätte sie Angst, ihren Larry wieder zu verlieren. Wie ein Blitzstrahl hatte sie die Liebe getroffen. Mein Gott, wie würden sie die anderen Schülerinnen beneiden, wenn sie von Larry erzählte. Schließlich war sie nicht die einzige, die ein Auge auf den gutaussehenden jungen Mann geworfen hatte.
Der Weg war schmal, über den sie gingen. Wäßriger Schneematsch klatschte unter ihren Sohlen. Es war stockdunkel. Die Bäume zu beiden Seiten des Weges waren kaum zu sehen, glichen unförmigen drohenden Schatten.
Und plötzlich war die Angst wieder da. Laß sie laufen! warnte Larry eine innere Stimme. Noch ist es Zeit!
Larry Harker wischte sich über die Stirn. Sein Schritt stockte.
»Ist was?« frage Milly, die ebenfalls stehengeblieben war.
»Nein – ich…«
»Komm weiter, Larry, bitte.«
»Ja, ja, schon gut.«
Larry Harker setzte sich wieder in Bewegung. Milly ließ seine Hand los und legte dafür ihren Arm um Larrys Rücken. Selbst durch den dicken Mantel spürte Larry die Wärme des Mädchenkörpers. Verlangen stieg in ihm hoch, verdrängte die Angst.
»Wie weit ist es denn noch?« fragte Milly. Sie drehte den Kopf, und ihr Blick hing an Larrys Lippen.
Der junge Mann lächelte. »Wir sind gleich da.«
»Hoffentlich. Du weißt, ich muß noch vor Mitternacht in der Schule sein. Die Kontrollen sind streng.«
»Keine Angst, ich werde dich pünktlich abliefern.«
Der Weg gabelte sich. Links ging es zum Moor, rechts führte der Pfad zu einer kleinen Lichtung, auf der auch die bewußte Hütte stand.
Gartenhaus, nannte Larry es. Dorthin zog er sich immer zurück, wenn er allein sein wollte. Allein mit sich und der Musik, die er über alles
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