GK0137 - Das Todeskabinett
schon noch merken.«
»Ach, rede doch keinen Unsinn. Larry ist immer noch ein lieber, braver Junge.«
Für diese Worte hatte Emily nur ein häßliches Kichern übrig.
Larry war dem Dialog der beiden Alten nicht bewußt gefolgt. Die Worte waren an seinen Ohren vorbeigerauscht. Sein Blick haftete wie ein Magnet auf Lydia Bradford. Er sah den giftgrünen, mit schrecklichen Fratzen bestickten Umhang, die strähnigen langen Haare und die rotunterlaufenen Augen. So hatte er Lydia Bradford noch nie gesehen, und ihm fielen John Sinclairs Worte ein, die ungefähr gelautet hatten: ›In dem Keller muß etwas Schreckliches, Grauenhaftes vorgegangen sein.‹ Bestimmt hatte der Oberinspektor recht gehabt. Larry versuchte, einen Blick in das Verlies zu werfen. Es gelang ihm nicht, sein Standort war zu ungünstig. Außerdem deckte seine Tante einen Teil der Öffnung mit ihrem Körper ab.
Lydia Bradford lächelte. »Was starrst du mich so an, Larry?« sagte sie und kam einen Schritt auf den jungen Mann zu. »Gefalle ich dir?« Sie versuchte, seine Hand zu greifen, doch Larry sprang zurück.
»Faß mich nur nicht an!« schrie er.
»Gut, wie du willst.«
»Ich habe es dir doch gesagt«, hetzte Emily. »Er steht nicht auf unserer Seite.«
Lydia Bradford warf Larry einen undefinierbaren Blick zu. »Das solltest du dir besser überlegen, mein Junge.«
»Nenn mich bitte nicht mein Junge!« Larrys Stimme erinnerte an das Knurren eines Wolfes.
»Gut, lassen wir das!« Lydia Bradford sprach plötzlich völlig anders. »Du wolltest immer das Geheimnis des Kellers kennenlernen. Bitte schön, du darfst das Verlies betreten.«
Die Alte machte eine einladende Geste.
Larrys Blick flackerte unsicher zwischen den beiden Tanten hin und her. Dann gab sich der junge Mann einen Ruck, atmete noch einmal tief ein und ging mit festen Schritten auf das Verlies zu.
Er hatte es kaum betreten, da blieb er geschockt stehen.
Er konnte nicht fassen, was er sah. Zuviel stürmte in diesen Sekunden auf ihn ein.
Die Mumie auf dem Stuhl glotzte ihn aus toten Augen an. Larry sah die welke Haut, und ein nie gekanntes Grauen packte ihn. Der flackernde Kerzenschein zuckte über sein Gesicht und ließ es aussehen wie in Blut getaucht.
Larry schluckte. Seine Hände hatten sich zu Fäusten geballt, und ein lautes Stöhnen drang aus seinem Mund.
»Ja, sieh nur genau hin«, sagte eine Stimme. »Es sind deine Tanten gewesen, die dieses gräßliche Spiel angefangen haben.« Inspektor Talbot hatte die Worte gesagt. Er lag noch immer gefesselt am Boden. Genau wie Janet Sturgess.
Aber der junge Mann hatte für Talbot keinen Blick. Er sah nur noch das Mädchen.
»Janet!« schrie er und warf sich neben dem Girl auf die Knie. »Himmel, was haben sie mit dir gemacht?«
Larry nahm ihren Kopf in beide Hände und blickte in ihre Augen, die ihn flehend ansahen. »Hol uns hier raus, Larry«, sagte das Mädchen mit schwacher, kaum zu verstehender Stimme. »Ich – ich kann nicht mehr. Du mußt uns helfen.«
»Warte, gleich. Ich nehme dir die Fesseln ab.«
Larry wollte Janet auf den Bauch drehen, um an ihre auf dem Rücken gefesselten Handgelenke zu gelangen, doch Lydia Bradfords scharfer Ruf stoppte ihn.
»Laß die Finger von ihr!«
Langsam wandte Larry den Kopf. »Du wirst mich nicht daran hindern können, du mieses Weibsbild, du!«
Lydia Bradford begann zu lachen. »Sieh an, der Kleine wird aufsässig«, höhnte sie. »Na warte, ich werde dich schon wieder zurechtstutzen, du Waschlappen.«
Das war zuviel.
Larry Harker schnellte plötzlich hoch, wollte sich auf seine Tante stürzen, doch diesmal ließ sich Lydia Bradford nicht überraschen. Blitzschnell wich sie aus.
Larry stolperte ins Leere. Er prallte gegen einen der Vorhänge an der Wand, wirbelte herum und wollte sich wieder vorwerfen, als er plötzlich stocksteif stehenblieb.
Lydia Bradfords Hand war blitzschnell in die Tasche ihres Umhanges geglitten, und als sie wieder zum Vorschein kam, glotzte das häßliche Loch einer Pistolenmündung Larry an. Es war die Waffe, die Lydia Bradford dem Inspektor weggenommen hatte.
Larry wurde totenblaß. »Willst du mich erschießen?« fragte er schweratmend.
Lydia Bradford lächelte kalt. »Wenn es nicht anders geht – ja. Aber ich hoffe, du wirst auch so vernünftig. Ich habe dir nämlich einiges zu erzählen. Hör genau zu, damit du auch jedes einzelne Wort verstehst. Diese Mumie da«, Lydia deutete mit der freien Hand auf den einbalsamierten Körper, »ist
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