GK0137 - Das Todeskabinett
niemand anderes als dein Vater…!«
***
Der Plan hatte geklappt. John Sinclair huschte wie ein Schatten in das Haus.
Er hatte mit Larry Harker vereinbart, daß dieser die Haustür nicht ins Schloß drücken sollte, und Larry hatte sich daran gehalten.
John hatte kaum die erste Stufe betreten, als er bereits die Stimmen hörte. Deutlich konnte er die von Larry Harker und die von Lydia Bradford unterscheiden.
Er konnte zwar nicht hören, was sie sagten, doch es war deutlich zu verstehen, daß sie sich stritten.
Für einen Moment dachte John daran, ohne Rücksicht darauf, daß man ihn hätte hören können, in den Keller zu stürzen und die beiden Frauen zu überrumpeln. Doch dann ließ er den Plan wieder fallen. Noch bestand für Larry keine unmittelbare Gefahr, und John konnte sich durchaus verstellen, daß das Gespräch der beiden auch für ihn interessant sein würde.
Vorsichtig stieg der Oberinspektor die Stufen hinunter. Das herrschende Halbdunkel schluckte seine Umrisse. Johns Rechte glitt unter das Jackett und kam mit der frischgeladenen Pistole wieder zum Vorschein.
Jetzt hatte der Geister-Jäger das Ende der Treppe erreicht. Dicht an die Wand gepreßt blieb er stehen.
Lydia Bradfords Stimme war lauter geworden, sie klang triumphierend und siegessicher.
Und was John Sinclair, in den nächsten Minuten zu Ohren kam, war eine der unheimlichsten und faszinierendsten Geschichten, die er je in seinem Leben gehört hatte…
***
Larry Harker stand da, als hätte ihn der Schlag getroffen. Sekundenlang verschwamm alles vor seinen Augen. Das Verlies drehte sich in einem tosenden Wirbel. Das Blut rauschte in seinen Ohren, und tief in seinem Hirn hämmerte nur ein Gedanke:
Er ist dein Vater! Die Mumie ist dein Vater!
Die Nachricht hatte Larry geschockt wie nie eine Sache zuvor in seinem Leben.
Larry Harker stöhnte auf. Er bewegte die Lippen, doch kein Laut drang aus seinem halbgeöffneten Mund.
Nur langsam ging der Anfall vorüber, und Larry konnte wieder einigermaßen klar denken.
»Damit hast du wohl nicht gerechnet, was, mein Junge?« drang Lydia Bradfords höhnische Stimme in sein Bewußtsein.
Larry schüttelte stumm den Kopf. Dann fragte er: »Wieso ist er mein Vater?« Er kannte seine Stimme selbst kaum noch wieder, so rauh und verändert klang sie. Larrys Augen blickten ins Leere, schienen auf irgendeinen imaginären Punkt in unendlicher Ferne gerichtet zu sein.
»Das wollte ich dir ja gerade erklären«, erwiderte Lydia Bradford. »Aber es ist eine ziemlich lange Geschichte, und du mußt genau zuhören. Außerdem spielt meine Schwester Emily eine große Rolle dabei. Aber ich werde für sie mitreden.«
»Ja, tu das, Lydia«, schnappte Emily.
Larry biß sich auf die Lippen. »Fang endlich an!«
»Nun gut. Es war vor ungefähr zwanzig Jahren. Wie du weißt, haben deine Tante Emily und ich immer allein gelebt. Unsere Eltern sind früh gestorben, und wir mußten schon in der Jugend lernen, uns durchs Leben zu schlagen! Da war für Männerbekanntschaften kein Platz. Außerdem hatten wir geschworen, nie auseinander zu gehen. Wir hatten ein Hobby. Und das war Okkultismus und Spiritismus. Wir gehörten geheimen magischen Zirkeln an und einer Teufelssekte. Doch die meisten waren Scharlatane und wollten nur unser Geld.«
»Und was hat das alles mit mir und meinem…« Larry stockte. »… meinem Vater zu tun?«
»Warte ab, mein Junge. Eines Tages lernten wir Henry De Camp kennen. Er war ein faszinierender Mensch. Obwohl wir beide viel älter waren als er, hat uns doch das Feuer der Liebe überrannt. Wir wollten Henry besitzen. Aber das konnte nur eine von uns. Wir haben Tage und Nächte über dieses Problem gesprochen und sind doch nie zu einer Lösung gekommen. Dabei haben wir in unserem blinden Liebeseifer nicht bemerkt, daß Henry nur mit uns spielte. Er hatte noch andere Frauen nebenbei. Zufällig habe ich ihn mal in London gesehen. Doch dann beschlossen wir, uns zu rächen. Henry sollte von der Bildfläche verschwinden, uns aber gleichzeitig für immer gehören. Ein schwieriges Problem, das gebe ich zu. Andererseits hatten unsere magischen Forschungen aber auch Fortschritte gemacht, und wie der Zufall wollte, brauchten wir für unsere Beschwörungen eine Leiche. Was lag näher, als an Henry zu denken.«
»Ihr habt ihn einfach umgebracht?« preßte Larry zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Die Abgebrühtheit, mit der Lydia Bradford über einen eiskalten Mord sprach, erschreckte ihn
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