GK255 - Die Geisterrocker
wie sie’s geschafft hatte. Plötzlich war sie frei. Sie hatte sich von den drei Rockern, die sie festgehalten hatten, losgestrampelt und schnellte jetzt augenblicklich hoch. Es gelang ihr sogar, das zerfetzte Kleid aufzunehmen, und dann unternahm sie ihren zweiten Fluchtversuch.
Don Baccala blieb breitbeinig stehen und stieß einen wütenden Fluch aus.
»Verdammt noch mal, was seid ihr denn für jämmerliche Idioten? Könnt ihr die Kleine denn nicht einmal zu dritt bändigen?«
Parray, Rayer und Oldfield schauten den Rockerboß betroffen an. Sie hatten geglaubt, mit dem Mädchen leichtes Spiel zu haben. Jeder hatte sich darauf verlassen, daß der andere das heulende Ding gut genug festhalten würde, und so hatte keiner sie so auf den Boden niedergepreßt, wie Baccala es von ihnen erwartet hatte.
Das Mädchen erreichte die Tür.
»Zum Teufel, wollt ihr sie entkommen lassen?« brüllte Don Baccala mit zornfunkelnden Augen. »Worauf wartet ihr denn? Daß sie von selbst zurückkommt?«
Die Rocker warfen sich herum und jagten hinter dem Mädchen her.
»Dämliche Hunde!« schrie Baccala.
Pascale Pleaver riß die Tür auf. Diesmal war keiner da, der sie mit einem kraftvollen Tritt wieder zuschleuderte. Atemlos warf sich das Mädchen nach draußen.
Sie preßte das zerrissene Kleid gegen ihren Busen und rannte schreiend durch den schmalen, düsteren Durchlaß.
»Hilfe! Überfall! Zu Hilfe! Man hat Mr. Pleaver niedergeschlagen und will mich vergewaltigen!«
Red Parray, Joke Rayer und Hank Oldfield verfolgten das immerzu schreiende Mädchen schnaufend.
Pascale war diesmal schneller als beim ersten Fluchtversuch. Die Angst verlieh ihr die doppelte Kraft. Sie wußte, was mit ihr geschehen würde, wenn man sie erwischte, und das stachelte sie zu einem Tempo an, mit dem die drei Rocker kaum mithalten konnten.
»Hilfe! Hilfe! Hiiilfeee!« schrie Pascale Pleaver dabei ununterbrochen.
Irgend jemand mußte ihre Schreie hören.
Irgend jemand würde bestimmt die Polizei verständigen.
Ein Maschendrahtzaun.
Pascale sprang wie eine Katze an ihm hoch und überkletterte ihn mit unglaublicher Schnelligkeit.
Ein Blick zurück über die Schulter sagte ihr, daß sie einen kleinen Vorsprung herausgelaufen hatte. Sie versuchte ihn weiter auszubauen, lief und schrie - lief und schrie - lief und schrie…
***
Die beiden Streifencops Jack Lord und Buzz Cotter saßen mit gelangweilten Gesichtern in ihrem Patrolcar und kutschierten in gemächlichem Tempo die Fifth-Avenue hoch.
Lord war ein schwerfälliger Bursche ohne jeden Schick. Ein rauher Mann mit einem weichen Kern. Dennoch hatte ihn seine Frau vor ein paar Tagen verlassen. Sie hatte sich nicht die Mühe genommen, bis zu Lords weichem Kern vorzudringen, und so war die einjährige Ehe eben aus niemandes Verschulden - wie Lords Frau zum Abschied behauptet hatte - in Scherben gegangen.
»Was hast du für heute abend vor?« erkundigte sich Buzz Cotter, ein gutmütiger Typ, dem man seine Herzenswärme ansehen konnte, bei seinem Kollegen.
Lord, der den Streifenwagen lenkte, zuckte die Achseln. »Was soll ich schon Vorhaben? Nichts. Ich werde meinen Kühlschrank leermachen und dann zu Bett gehen. Oder tun Männer, die plötzlich wieder zu Junggesellen geworden sind, etwas anderes?«
»Ich habe mit Georgia über dich gesprochen«, sagte Cotter. Georgia war seine Frau. »Sie möchte, daß du zu uns zum Abendessen kommst.«
»Das ist zwar sehr nett von euch, aber…«
»Kein Aber, Jack«, fiel Cotter dem Kollegen ins Wort. »Wenn ich’s nicht schaffe, dich zu überreden, setzt Georgia mir die Canelloni-Schüssel auf. Willst du das?«
Lord lachte. »Du kennst mich, wenn einer meiner Freunde Hilfe braucht, dann kann er auf mich zählen.«
»Du kommst also?«
»Ich muß dir doch die Canelloni-Schüssel ersparen«, grinste Jack Lord.
Und dann kam die Meldung aus der Funkzentrale. Sie erging an alle Wagen, die sich auf der East Side befanden. Die Meldung besagte, daß die gefürchteten und polizeibekannten Rocker mal wieder voll losgelegt hatten. Der Schnapsladen des Paul Pleaver sei restlos zertrümmert worden, und die verbrecherischen Jugendlichen hätten obendrei versucht, Pleavers Tochter zu vergewaltigen.
Buzz Cotter riß das Mikrophon aus der Halterung und meldete sich mit der Wagennummer. Danach sagte er: »Wir sind in der Nähe… fahren gleich hin!« Nachdem er das Mikro zurückgehängt hatte, nickte er seinem Freund und Kollegen mit grimmiger Miene zu. »Okay, Jack.
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