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Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)

Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition)

Titel: Glaube der Lüge: Ein Inspector-Lynley-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Mitgefühl für Unbekannte aufzubringen vermochte, hatte jedoch nichts mit Lynley oder Ardery zu tun. Es war nicht damit zu rechnen, dass einer von beiden auf die Idee kommen würde, Barbara sein Herz auszuschütten, wofür sie dankbar war. Weniger dankbar war sie für die Aufgabe, sich noch einmal mit Engracia zu treffen und die junge Spanierin um einen letzten Anruf in Argentinien zu bitten.
    Sie bekamen Alateas Bruder Carlos an den Apparat, der mit seiner Kusine Elena María seine Mutter besuchte. Engracia sprach sowohl mit Carlos als auch mit Elena María, während Barbara soufflierte.
    Bitte sagen Sie ihnen, dass Alatea ertrunken ist … Ihre Leiche wurde bisher nicht gefunden … das liegt an den besonderen Verhältnissen in der Bucht von Morecambe … am Treibsand … dazu kommt, dass mehrere Flüsse in die Bucht münden … außerdem kam an dem Abend eine Flutwelle … Wir gehen davon aus, dass die Leiche irgendwann angespült wird, und wir wissen auch ungefähr, wo … Ihr Mann wird sie beerdigen … Ja, sie war verheiratet … Ja, sie war sehr glücklich … Sie wollte nur einen Spaziergang machen … Es tut uns schrecklich leid … Ja, ich werde sehen, ob es Fotos gibt … Selbstverständlich … Ja, es war ein Unfall … daran besteht kein Zweifel … ein schrecklicher, tragischer Unfall .
    Es spielte keine Rolle, ob es ein Unfall gewesen war oder nicht, dachte Barbara. Alatea war tot, das war, was zählte.
    Engracia hatte geweint, während sie der Familie die Nachricht von Alateas Tod überbracht hatte, ein Phänomen, das Barbara nicht zum ersten Mal in Erstaunen versetzt hatte: dass jemand über den Tod eines Menschen weinte, den er nie gekannt hatte, dass jemand Mitgefühl für Menschen empfand, denen er nie begegnen würde. Was löste solche Gefühle aus, fragte sie sich? Warum waren ihr solche Gefühle fremd? Konnte es sein, dass irgendetwas mit ihr nicht stimmte? Oder lag es einfach an dem Beruf, für den sie sich entschieden hatte?
    Eigentlich wollte sie über all das gar nicht weiter nachdenken – über Lynleys finstere Stimmung, über Arderys Niedergeschlagenheit, über die Trauer einer argentinischen Familie. Also konzentrierte sie sich auf dem Heimweg auf etwas Erfreuliches, nämlich auf das bevorstehende Abendessen. Sie würde sich ein Steak in die Pfanne hauen, eine Nierenpastete in die Mikrowelle schieben, dazu einen Tetrapak Rotwein öffnen, zum Nachtisch würde sie sich ein Stück Cheesecake gönnen und eine Tasse Kaffee vom Morgen aufwärmen. Anschließend würde sie sich mit Die süßen Verheißungen der Leidenschaft aufs Sofa legen, einem schwülstigen Liebesroman mit viel Herzschmerz, denn sie war gespannt darauf zu erfahren, ob Grey Mannington sich endlich seine Liebe zu Ebony Sinclair eingestehen würde. Und sie würde den elektrischen Kamin anwerfen. Denn es war den ganzen Tag über fürchterlich kalt gewesen, ein Vorgeschmack auf den bevorstehenden Winter. Es würde ein bitterkalter, langer Winter werden, dachte sie. Zeit, die Biberbettwäsche aufzuziehen.
    Azhars Auto stand vor dem Haus, aber im Erdgeschoss brannte kein Licht. Wahrscheinlich gönnten ihre Nachbarn sich heute ein Abendessen in einem Restaurant und waren das kurze Stück bis zur Chalk Farm Road oder zum Haverstock Hill zu Fuß gegangen. Vielleicht war alles am Ende doch gut gelaufen, dachte Barbara. Vielleicht saßen Azhar, Hadiyyah und Angelina in friedlicher Eintracht mit Azhars anderen Kindern und seiner nicht von ihm geschiedenen Exfrau im China-Restaurant um die Ecke. Wie eine richtige Großfamilie. Vielleicht verstanden sie sich ja jetzt alle prächtig, vielleicht hatte die Frau ihrem Mann verziehen, dass er sie wegen einer Studentin, die von ihm schwanger war, verlassen hatte, vielleicht hatte Azhar sich ja auch schuldig bekannt; vielleicht hatte die ehemalige Studentin sich als Mutter bewährt und durfte jetzt auch die Rolle der Stiefmutter übernehmen, und sie würden in Zukunft alle zusammenziehen und eine Patchwork-Familie bilden, die heutzutage so sehr in Mode waren … Möglich wäre es, dachte Barbara. Vielleicht waren aber auch allen Schweinen in England über Nacht Flügel gewachsen.
    Inzwischen war es eiskalt, und sie beeilte sich, an dem Haus vorbei zu ihrem Bungalow zu gelangen. Es war ziemlich dunkel im Garten, da in zwei der fünf Gartenlaternen die Birnen durchgebrannt waren, und vor ihrem Bungalow war es noch dunkler, denn sie hatte am Morgen vergessen, die Verandabeleuchtung

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