Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar
Beerdigung, nachdem du einem tragischen Autounfall oder Treppensturz erlegen bist.«
Heidi hielt sich an der warmen Tasse fest und schluckte.
»Also, was schlägst du vor?«
»Ich kenne Jurij aus unseren gemeinsamen KGB-Zeiten. Man soll ihn nicht zu sehr reizen, aber es ist möglich, sich mit ihm zu einigen. Das wird unser Ziel sein. Was du trotzdem machen kannst: Bring dein Auto zur Reparatur und leih dir das von Jurij. Im Navi könnte die Adresse gespeichert sein. Schreib alle Kölner Adressen auf, die du findest. Dann schauen wir weiter. Und jetzt gib mir mal 500 Euro Anzahlung. Ich nehme an, eine Rechnung brauchst du nicht.«
Draußen vor ihrem Wagen wurde Heidi mit einem Handy-Blitzlichtgewitter und den Rufen »Das ist sie, das ist sie!« empfangen. Für das Ausparken brauchte sie deutlich länger, aus Angst, eines der zahlreichen Kinder zu überfahren.
5
Als sie ihr Büro im Kölner Polizeipräsidium in Kalk betrat, hörte Hauptkommissarin Judith Wendel ihren Assistenten Jan Babbel telefonieren. Sie war verärgert und leicht verstört, denn erstens hatte sie einen Strafzettel an ihrem Auto gefunden, weil es etwa 15 Zentimeter über das Parken-verboten-Schild hinausragte, zweitens hatte sie in der Nacht einen äußerst seltsamen Traum gehabt, und drittens war ihre Periode seit einer Woche ausgeblieben, obwohl sie nie vergessen hatte, die Pille zu nehmen. Sie ließ sich Jan gegenüber, der mit seinen 33 Jahren zwar nur zwei Jahre jünger war als sie, aber wohl aufgrund seiner halb indischen Abstammung wesentlich jünger aussah, nichts anmerken. Er klang gerade aber auch ziemlich genervt:
»Ja, wir sind eine Mordkommission, aber keine Morddrohungskommission … Nein, Sie sollen mich nicht erst kontaktieren, wenn Sie im Sarg liegen, sondern sich an die Kollegen wenden, die dafür zuständig sind …«
Judith holte sich einen Kaffee. Jan stellte das Telefon auf Lautsprecher, sodass sie das Gespräch mitverfolgen konnte.
»Hören Sie mal, hier im Theater sind die Scheiben eingeschlagen worden, ich habe Dutzende Drohbriefe und E-Mails erhalten, der Anrufbeantworter ist voll mit Beschimpfungen. Wir haben es hier mit Fundamentalisten, ja mit Extremisten zu tun …«
Jan hielt die Telefonmuschel zu:
»Sandini, der Chef vom Sülzer Theaterhaus. Sie machen so ein Jesus-Schwulen-Stück und werden angeblich bedroht. Christliche Fundamentalisten, wer ist für die zuständig?«
»Gib mal her.«
»Warten Sie mal, ich verbinde Sie mit meiner Vorgesetzten.«
Er übergab Judith den Hörer.
»Hauptkommissarin Wendel.«
»Sandini hier. Hören Sie, diese Verrückten wollen, dass ich aufgebe. In diesem Theater ist nur ein Mal ein Stück abgesetzt worden. Das war 1938. Weil mein Vater einem jüdischen Schauspieler nicht kündigen wollte. Als ich 1977 das Theater übernommen habe, musste ich ihm versprechen, sofort meine Sachen zu packen und auszuwandern, sollte ich jemals gezwungen werden, ein Stück abzusetzen.«
Jan verdrehte die Augen. Deutsche Theater-Vorkriegsgeschichte gehörte nicht wirklich zu seinen Hobbys.
»Wer bedroht Sie denn? Haben Sie Namen, Adressen?« Judith griff nach einem Notizzettel.
»Sie können sich gar nicht vorstellen, was es alles gibt. ›Urchristliche Gemeinde‹, ›Jesus-Christus- Glaubensarmee‹ und noch einige Einzeltäter, die seit Wochen vor dem Theater herumlungern und mich mit Morddrohungen überschütten.«
»Wann ist die Premiere?«
»Übermorgen, am Karsamstag.«
»Ich werde dafür sorgen, dass die zuständigen Kollegen ausreichend Polizeischutz bereitstellen. Und können Sie mir bitte zwei Karten reservieren?«
6
Heute war es wieder passiert. Josif ging gerade zu seinem Lada, um Judith abzuholen, als zwei kleine Nachbarjungs auf ihn zugerannt kamen, ungefähr acht Jahre alt, einen kannte er, es war der Sohn des Vermieters, und mit ihren Spielzeugpumpguns auf ihn schossen. Er sah die Mündungen auf sich gerichtet und hörte plötzlich Schüsse, Explosionen … Kalter Schweiß, Schwindelanfall, Übelkeit … Er schaffte es gerade noch, in Deckung zu gehen und sich in seinem Lada zu verschanzen. Er schloss die Augen und legte Arme und Kopf auf das Lenkrad.
»Allah Akbar! Allah Akbar!« Die afghanischen Krieger hatten Kinderstimmen, Bomben fielen auf sein Versteck, das Auto bebte. Er zwang sich, die Augen zu öffnen. Zwei Gotteskrieger, getarnt als Kinder, klopften gegen das Seitenfenster und tanzten wie Derwische.
»Du bist tot, du bist tot …!«
Langsam kam er wieder
Weitere Kostenlose Bücher