Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar
Hiller?
Bondar: Seit Mai. Ich hatte einen Auftrag von Pechstein, eine DNA-Probe von ihrem Sohn zu besorgen. Pechstein wollte wissen, ob Max wirklich sein Enkelkind ist.
Wendel: Wie haben Sie die Aufgabe gelöst?
Bondar: Ich habe Anna und Max kennengelernt und Max’ Schnuller gegen einen Keks getauscht.
15
Silvia besuchte Josif im Gefängnis. Als sie ihn sah, abgemagert, mit grauem Bart, dunklen Ringen unter den Augen, musste sie um Fassung ringen. Sie saßen sich an einem Tisch gegenüber. Ein älterer Anstaltsbeamter mit Kaiser-Wilhelm-Schnurrbart saß am Nebentisch und überwachte das Gespräch. Silvia brachte gute Nachrichten mit: Die Espressomaschine, die zwischenzeitlich außer Betrieb gewesen war, funktionierte wieder.
»Ich musste sie nur entkalken, und jetzt läuft er durch wie immer.«
»Da haben wir ja Glück gehabt.«
»Ja. Und noch eine gute Nachricht: Çoban hat den Mietvertrag um zwei Monate verlängert. Wir können da erst mal bleiben.«
Dann brach Silvia in Tränen aus:
»Ich bin an allem schuld, weil ich nicht da war. Wenn ich nicht nach Paderborn zur Demo gefahren wäre, hätte ich das verhindern können.«
Zum ersten Mal sah Josif Silvia weinen. Er versuchte sie zu trösten:
»Dich trifft überhaupt keine Schuld, Silvia. Du hast für eine gute Sache gekämpft. Irgendjemand muss sich ja für das Schweinerecht einsetzen. Schweine sind ja auch … äh, Schweine eben. Man sollte sie anständig behandeln.«
Doch Silvia war untröstlich. Sie schluchzte immer heftiger:
»Josif, du bist mir doch wichtiger als jedes Schwein der Welt.«
»Danke Silvia, ich hab dich auch lieb.«
Der mitfühlende Beamte reichte ihr ein Taschentuch.
Silvia trocknete ihre Tränen, putzte sich die Nase und unternahm einen nicht ganz gelungenen Versuch, zu lächeln:
»Glaubst du, dass du bald hier rauskommst?«
»Ganz sicher. Entweder auf eigenen Beinen oder mit den Füßen zuerst. Lange bleibe ich hier nicht. Was heißt ›Gefängnis‹ auf Owajamajarisch?«
»Naturvölker des Amazonas kennen keine Gefängnisse, Josif.«
»Wenn es hier keine Gefängnisse gäbe, hätten wir ganz schön viele Arbeitslose, nicht wahr?«, Josif schaute zu dem Anstaltsbeamten hinüber.
Doch der fühlte sich nicht angesprochen.
»Und noch etwas, Josif, ich bin aus dem Studentenwohnheim geflogen. Stört es dich, wenn ich, bis ich was anderes gefunden habe, bei dir bleibe?«
»Nein, das stört mich überhaupt nicht. Im Gegenteil, es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass jemand die Blumen gießt.«
»Welche Blumen?!«
»Hast du noch keine gepflanzt?«
»Nein, aber es ist eine gute Idee. Welche Pflanzen magst du am liebsten?«
»Birken im Schnee.«
VI
1
Dezernatsleiter Wagner hatte Judith in sein Büro bestellt, um ihr mitzuteilen, dass sie den Fall Hiller wegen möglicher Befangenheit abgeben müsse.
»Da es sich ja wohl nicht um einen Lebenspartner handelt, sondern, sagen wir mal, um einen Bekannten, möchte ich vom Vorwurf des Dienstvergehens absehen und kein Disziplinarverfahren gegen Sie einleiten. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass Sie von sich aus unverzüglich den Antrag auf Entbindung von den Ermittlungen im Mordfall Anna Hiller wegen Gefahr der Befangenheit stellen. Am kommenden Montag könnten Sie dann die Übergabe machen.«
Zurück im Büro, rief Judith Jan an. Er war gerade in Ratingen im »Harem« und befragte das Personal – alles ausschließlich Damen und Herren aus der ehemaligen UdSSR – nach einem »Ruslan aus Omsk«.
»Jan, ich würde mich gerne mit dir treffen.«
»Bin in 90 Minuten in Köln.«
»Kennst du das Eiscafé ›Romeo und Julia‹ am Brüsseler Platz?«
»Nein, aber ich werde es finden.«
Judith schrieb den Antrag, gab ihn beim Dezernatsleiter ab und fuhr nach Hause. Nachdem sie geduscht hatte, zog sie ihr hellblaues Sommerkleid an. Sie hatte in den letzten Wochen vier Kilo abgenommen und konnte es mit gutem Gewissen wieder tragen.
Im »Romeo und Julia« setzte sie sich nach draußen und bestellte frische Erdbeeren mit Eis und Sahne. Von ihrem Tisch aus hatte sie den Blick auf die Kirche St. Michael und den kleinen Platz davor. Sie beobachtete, wie ein kleiner Junge, vielleicht zwei Jahre alt, auf die zahlreichen Tauben losrannte, mit den Beinchen stampfte und in die Hände klatschte, bis ein oder zwei Vögel – für Judith ein Symbol für Frieden und Stadtverkotung – davonflogen. Ein Mädchen im gleichen Alter schaute zu. Sie traute sich nicht, mitzulaufen, und hielt sich
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