Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar
am Bein der Mutter fest. Klatschte aber auch in die Hände und freute sich mit dem Jungen, wenn er erfolgreich war.
Jan kam pünktlich.
»Stell dir vor, im ›Harem‹ kennt niemand einen Ruslan.«
Er bestellte einen Eiskaffee.
»Wie geht es dir, Jan?«
Judith versuchte, freundlich zu sein, doch die Frage klang eher bedrohlich.
»Alles gut. Wieso fragst du?«
»Am Montag gebe ich den Fall ab. Wegen möglicher Befangenheit.«
Jan schwieg.
»Ich vermute mal, dass du das dem Chef gesteckt hast.«
»Judith, du hast mir selbst von deinem Verhältnis mit Bondar erzählt. Es wäre eine Dienstpflichtverletzung gewesen, wenn ich diese Tatsache verschwiegen hätte.«
Die Kellnerin brachte den Eiskaffee.
»Denkst du, dass Bondar der Mörder ist?«
»Alle Fakten sprechen gegen ihn. Ich verstehe, dass es nicht einfach ist für dich, aber …«
Judith unterbrach ihn:
»Du glaubst also nicht, dass Pechstein dahinterstecken könnte?«
»Glaubst du etwa, dass ein Mann, der eine halbe Milliarde Euro schwer ist, es nötig hat, wegen ein paar Millionen die Mutter seines Enkelkindes umbringen zu lassen?«
Jans Handy klingelte. Er ging dran.
»Ja … Ich weiß, dass du es bist, wie war es denn? … Jaaahhh!!!« Jan sprang auf.
»Du Süße, bin in 20 Minuten bei dir.«
Er legte auf und strahlte Judith an:
»Positiv! Schwanger, wir sind schwanger!«
Er legte zehn Euro auf den Tisch.
»Entschuldige, ich muss jetzt weg. Ich lade dich ein. Bis Montag.«
»Jan, weißt du zufällig, wer den Fall übernimmt?«
»Ja, ich«, sagte er im Weggehen. Sein Auto stand hinter der Kirche. Er rannte über den kleinen Platz. Mit einem lauten Karateschrei scheuchte er alle Tauben in die Luft. Das kleine Mädchen erschrak und fing an zu weinen. Der Junge dagegen schaute ihn bewundernd an.
2
Judith war ins Gefängnis gefahren und hatte Josif in den Verhörraum bringen lassen. Dort saß er am Tisch, sie stand am kleinen vergitterten Fenster und schaute hinaus.
»Am Montag werde ich den Fall wegen möglicher Befangenheit abgeben. Ich habe mich für sechs Monate beurlauben lassen. Jan Babbel wird die Ermittlungen weiterführen. Er ist ein fähiger Kollege. Ich denke …«
Judith verstummte, kämpfte mit den Tränen. Nach einer Weile sagte Josif:
»Judith, wir brauchen uns doch nichts vorzumachen.«
Seine Stimme klang ruhig und gefasst. Judith schaute ihn an.
»Ich habe die Presse, einen Großindustriellen und die russische Mafia gegen mich, stimmt’s?«
Judith nickte.
»Jurijs Männer haben gute Arbeit geleistet, keine Fingerabdrücke, keine Zeugen, fehlerfrei. Stimmt’s?«
Judith nickte.
»Wie ich schon mehrmals gesagt habe, meine Unschuld lässt sich nicht beweisen.«
Judith sah Josif an und sagte nichts.
»Gut«, sagte Josif und stand auf, »dann ist der Fall erledigt.«
Judith versuchte, Haltung zu bewahren. Doch die Tränen, diese feindlichen Soldaten, besetzten ihre Augen, vernichteten die Wimperntusche und flossen wie graue Bäche nach einem Erdrutsch an ihrem verzweifelten Gesicht herunter:
»Kann man denn wirklich nichts mehr machen, Josif?«
Josif sah sie lange an.
»Man könnte schon noch was machen.«
»Was denn?«
»Hast du einen Zettel und einen Stift?«
Josif machte eine kleine Augenbewegung Richtung Gegensprechanlage, wo er ein Abhörgerät vermutete.
Judith wischte den Erdrutsch von ihrem Gesicht, holte aus der Tasche ein Notizbuch mit darin steckendem Kugelschreiber und reichte es Josif. Josif setzte sich wieder an den Tisch, riss einen Zettel heraus, schrieb ihn auf beiden Seiten voll und gab ihn Judith. Sie las ihn aufmerksam durch, überlegte, schüttelte den Kopf:
»Das kann ich nicht machen, Josif.« Wie ein schmutziges Taschentuch hielt sie den Zettel in der Hand. »Ich kann nicht gegen meine Überzeugung handeln. Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Man kann nicht Gewalt und Betrug mit Betrug und Gewalt bekämpfen.«
Josif nahm ihr den Zettel ab und steckte ihn in den Mund.
»Du willst ein Boxer sein, Judith, der einen Kampf gewinnt, ohne zuzuschlagen. Du kannst nicht das Böse besiegen wie in einem Kinderbuch. Das geht nicht. Die Realität ist anders.«
»Ich kann schon zuschlagen, Josif, aber nach geltenden fairen Regeln.«
»Du kannst nicht mit fairen Regeln gewinnen, wenn dein Gegner Metallplatten in den Handschuhen hat und unter die Gürtellinie schlägt. Dann ist es besser für dich, erst gar nicht in den Ring zu steigen.«
Den Zettel ließ er wie eine Hostie im Mund einweichen und
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