Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar
meinem Auftrag ausgeführt worden … Was soll der Unsinn?!«
Pechstein schaute zu Judith hoch und bemerkte erst jetzt, dass sie ein Holster mit ihrer Dienstwaffe trug.
In diesem Augenblick drehte sich Judiths Stuhl und Josif, der sich auf dem Stuhl klein gemacht hatte, nahm Judith in aller Ruhe die Dienstwaffe aus dem Holster und richtete sie auf Pechstein.
»Warte, Josif!« Judith schob seine Hand zur Seite. »Vielleicht unterschreibt er ja.«
Pechstein blieb vollkommen gelassen:
»Was soll dieses Theater, Frau Wendel?«
»Das ist kein Theater, Herr Pechstein. Sie haben Anna Hiller umbringen lassen. Und jetzt behaupte ich, dass Sie soeben ein Geständnis abgelegt haben. Als der zu Unrecht verdächtigte Herr Bondar gehört hat, wie hinterhältig er hereingelegt wurde, hat er die Nerven verloren, mich überwältigt, die Waffe entwendet und Sie erschossen, noch bevor Sie unterschrieben haben. Ein Mord im Affekt. Ein zu Unrecht Verdächtigter tötet einen gemeinen Mörder, der ihn zuvor in eine Falle gelockt und seine Existenz zerstört hat. Ohne Vorstrafen und mit einem guten Anwalt bekommt Bondar zwei bis drei Jahre oder kommt sogar auf Bewährung frei.
Wenn er Sie nicht erschießt, bekommt er lebenslänglich für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat. Er hat keine andere Wahl, als Sie umzubringen. Es sei denn«, Judith schaute Josif an, »er möchte das Gebot ›Du sollst nicht töten‹ nicht brechen.«
»Um ehrlich zu sein, Judith, ich erschieße ihn gern.«
Pechstein schielte zur Tür, um die Entfernung abzuschätzen. Er wog drei Möglichkeiten ab: Flucht, um Hilfe rufen oder auf Zeit spielen. Als hätte Judith seine Gedanken gelesen, ging sie zur Tür und schloss ab. Den Schlüssel steckte sie in Josifs Hosentasche.
»Heute ist Sonntag, Herr Pechstein, hier kommt niemand rein. Die Vollzugsbeamten, die Bondar abholen sollen, habe ich um 12.30 Uhr bestellt.«
»Mit diesem billigen Trick kommen Sie nicht durch, Frau Wendel.« Pechstein hatte sich entschieden, auf Zeit zu spielen. »Sie wandern ins Gefängnis.«
»Nein, Herr Pechstein. Ich bekomme drei Disziplinarverfahren. Drei Fehler sind mir unterlaufen. Ich hätte Sie nicht in einem Raum mit Bondar zusammenbringen dürfen. Ich habe mich überwältigen und mir die Waffe entreißen lassen. Ich habe vergessen, das Diktiergerät und die Kamera einzuschalten. Im ungünstigsten Fall werde ich degradiert und in die Provinz versetzt.«
»Danke für die ausführliche Einführung in das Beamtenrecht, Judith. Mir reicht es jetzt.« Bondar entsicherte die Pistole.
»Warte, Josif, vielleicht unterschreibt er ja.«
»Okay, 30 Sekunden«, sagte Josif.
Judith schaute auf die Uhr:
»… noch 20 … 15 … 10 … 5, 4, 3, 2 …«
»Gut, ich lege ein Geständnis ab.« Pechstein sah Judith an und lächelte. »Weil ich nicht von einem nichtsnutzigen sowjetischen Kommunisten erschossen werden möchte – mein Vater würde sich im Grab umdrehen –, aber nur unter einer Bedingung: Ich möchte noch als freier Mann nach Hause fahren und mich dort von meiner Frau verabschieden. Ich gebe Ihnen mein Wort, dass ich keinen Fluchtversuch unternehmen werde.«
Judith überlegte kurz:
»Ich bin einverstanden. Sie legen ein Geständnis ab und unterschreiben es. Danach fahre ich Sie nach Hause, Sie verabschieden sich, und ich bringe Sie wieder zurück.«
Pechstein nickte:
»Dann schalten Sie das Diktiergerät ein.«
6
Judith schloss Pechstein im Büro ein, während sie Bondar im Flur den Vollzugsbeamten übergab. Bis zum richterlichen Beschluss über seine Freilassung würde Josif noch in U-Haft bleiben müssen.
Dann holte sie Pechstein ab. Sie gingen zum Aufzug und fuhren in die Tiefgarage.
»Wären Sie damit einverstanden, wenn wir mit meinem Auto fahren?«
Judith war einverstanden. Sie setzte sich nach hinten auf die rechte Seite und schnallte sich an. Pechstein fuhr Richtung Autobahn. Am Sonntag wäre der Weg durch die Stadt schneller und kürzer gewesen.
»Warum fahren Sie nicht über die Severinsbrücke?«
»Weil ich das nicht möchte. Überlassen Sie bitte mir die Freiheit, den Weg auszusuchen.« Er fuhr auf die Autobahn und begann zu beschleunigen. 120 km/h … 140 … 160 …
Auf einmal fühlte sich Judith Pechstein ausgeliefert und in seinem schwarzen BMW X6M wie in einem Katafalk gefangen. Unauffällig öffnete sie das Holster und nahm ihre Pistole in die Hand.
»Stecken Sie die Waffe wieder ein. Ich habe Ihnen mein Wort gegeben, keinen Fluchtversuch
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