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Gleitflug

Gleitflug

Titel: Gleitflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Gine Goemans
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spürte sogar, wie er ruhiger wurde. Auch bei Sullys Notlandung waren keine Reporter anwesend, trotzdem war später sein stiller Gleitflug überall auf der Welt im Fernsehen zu sehen, dank der Überwachungskamera auf einem Gebäude.
    14:25 Uhr.
    Er warf das Rad am Tor auf den Boden.
    Keine fünfzig Meter entfernt fraßen seine Gänse die Kekskugeln, direkt neben der Piste. So hatte er es gewollt. Fasziniert beobachtete er die beiden Vögel. Eine heftige Zuneigung erfüllteihn. Sie war anders als seine Gefühle für Meike. Die brachten ihn völlig durcheinander, machten ihn geil, lähmten ihn. Die Liebe zu den Gänsen gab ihm eine unglaubliche Kraft.
    In der Ferne näherten sich zwei Lichtpünktchen. Flug 9321.
    Ahnungslos glitt seine Mutter vom Himmel zur Erde. Er umklammerte mit feuchten Händen seinen Schirm. Die Lichter wurden größer. Zwei schwimmende Silbermöwen auf leicht bewegtem Meer. Diesen Film hatte er schon tausendmal in seinem Kopf ablaufen lassen, und nun war es Wirklichkeit. Seine Konzentration war vollkommen, nichts konnte sie mehr stören. Er hatte die gesamte Spielfläche im Blick. Und den Ball und seinen Gegner: die Gänse und das Flugzeug.
    Es war so still, dass er das Blut in seinen Adern rauschen hörte. Dann ein leises Husten. Super Waling. Das Husten wurde lauter. Er drehte sich um. Es war nicht Super Waling.
    Was er sah, waren Saatgänse. Neun Saatgänse flogen niedrig über das Wäldchen und den Campingplatz und landeten bei seinen Gänsen.
    Ihm stockte der Atem. Er fühlte sich plötzlich ganz leicht, aber es war nicht die angenehme Leichtigkeit, die er in Gegenwart von Super Waling empfand. Bestimmt wurde er ohnmächtig. Er bekam keine Luft. Vielleicht starb er. Er war sich fast sicher, dass er sterben würde. Er war vor Kälte erstarrt. Nicht einmal die Finger konnte er noch bewegen.
    Die Tragflächen und die Nase des Flugzeugs waren jetzt deutlich zu sehen. Seine Mutter flog genau auf die Gänse zu.
    Elf Gänse!
    Das waren neun zu viel. Selbst Captain Sullys Maschine war nicht von so vielen getroffen worden. »I smelt a burned bird smell«, hatte er der hellblonden Reporterin erklärt. Elf Gänse auf einmal konnte keine Maschine verkraften.
    Die Saatgänse fraßen. Auf der Piste! Dabei hatte er doch gar keine Kugeln auf die Bahn geschossen!?
    14:27 Uhr.
    Die Maschine, eine Boeing, schwebte jetzt niedrig über dem Anfang der Piste. Die bunten Streifen am Leitwerk waren gut zu erkennen.
    »Gieles … Es tut mir sehr leid«, hörte er jemanden wie aus weiter Ferne keuchen. Er drehte sich ruckartig um. Super Waling presste seine ölverschmierten Hände auf den Bauch, als könnten sonst die Organe herausquellen. Auf der Stirn hatte er einen bläulichen Fleck.
    »Die verdammte Karre hat wieder gestreikt …« Plötzlich riss er ängstlich die Augen auf.
    »Mein Gott, Gänse! Gieles! Ein ganzer Schwarm! Auf der Landebahn!«
    In Gieles’ Kopf schien eine Luftblase aufzusteigen. »Plopp«, hörte er. Er wollte es Super Waling sagen. Auch sein dicker Freund hatte ja so ein Plopp-Erlebnis gehabt, als er die Toten und Verletzten in dem Wrack auf dem Acker seiner Eltern sah. Gieles’ Ohren hatten sich geöffnet, er konnte wieder hören. Aber jetzt war keine Zeit. Er drehte sich um und rannte los.
    Das Dröhnen der Triebwerke rollte vor dem Flugzeug her. Das Fahrwerk schwebte über dem Asphalt, während die Saatgänse mit Tufted und Bufted um die Kekskugeln kämpften. Gieles rannte am Wassergraben entlang und klappte mit einer weit ausholenden Bewegung den Schirm auf.
    Genau im gleichen Moment hoben Tufted und Bufted die Köpfe. Sie breiteten die Flügel aus, nahmen Anlauf und flogen los. Hinter ihnen die Saatgänse. Der Anblick war unerträglich. Gänse, elf Gänse, verfolgt von einem Monstervogel mit tödlichen Saugklauen. Die Luft über der Bahn flimmerte, die Angstrufe der Gänse wurden vom Lärm der Triebwerke übertönt.
    Gänse und Maschine flogen jetzt auf gleicher Höhe. Mit einem dumpfen Schlag berührten die Räder den Boden. Das Fahrwerkschien nachzugeben, die Triebwerke brüllten. Schwarzer Rauch stieg von den überhitzten Reifen auf.
    Noch nie hatte Gieles ein Flugzeug so irrsinnig bremsen sehen. Ein Geruch nach verbranntem Gummi stieg ihm in die Nase, als die Maschine vorbeischoss. Johan hatte ihm gezeigt, was bei zu starkem Bremsen passieren konnte. Es war schon vorgekommen, dass durch die Überhitzung der Reifen und der Bremsen ein ganzes Flugzeug in Flammen aufgegangen war.

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