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Gleitflug

Gleitflug

Titel: Gleitflug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne-Gine Goemans
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blätterte durch einen Ordner mit Vorlagen.
    »Und was machst du noch alles nicht?«, fragte Meike. Sie stand neben dem Tätowierer und schaute mit auf die Abbildungen.
    »Ein Tier um den Nabel herum tätowieren, dann hat man das Gefühl, dass man ihm in den Arsch sieht. Da weigere ich mich. Und Tieren mach ich keine Tattoos, da weigere ich mich auch.«
    Meike prustete los. »Hör auf. Wer will denn schon sein Haustier tätowieren lassen?«
    Lazy Lex zeigte mit dem Finger auf ein Motiv. Meike nickte. Es war wie bei einem alten Ehepaar, das sich ohne Worte versteht.
    »Chinesen tun das«, fuhr Lazy Lex fort. »In China werden Goldfische tätowiert. Die kriegen vor dem Verkauf ein Glückssymbol auf den Bauch.«
    Er drehte sich zu einem hölzernen Schubladenschrank um, der früher vielleicht in einem Tante-Emma-Laden gestanden hatte, und holte Kohlepapier und Stifte heraus.
    Gieles schlenderte durch den Raum und blieb vor einem Regal voller Kunstbücher stehen.
    »Möchte dein Freund es an der gleichen Stelle haben wie du?«, fragte Lazy Lex und legte das Kohlepapier auf die Vorlage.
    Ich bekomme eine Träne .
    »Ja«, antwortete Meike. »Genau an der gleichen Stelle.«
    Mit fester Hand zeichnete Lazy Lex die Vorlage auf das Kohlepapier durch. Zufrieden betrachtete er durch seine klobige Brille das Resultat.
    »Setzt du dich schon mal hin, Gieles? Zieh dein T-Shirt aus und halt die Arme so.«
    Ein Tattoo auf dem Rücken. Vielleicht ein Dampfpumpwerk. Ein ganz kleines, er war schnell fertig mit Durchzeichnen. Oder eine ziemlich große Träne.
    Gehorsam zog er das T-Shirt aus, nahm rittlings auf dem Stuhl Platz und lehnte sich entspannt mit den Unterarmen auf die Rückenlehne, wie Lazy Lex es vorgemacht hatte. Es war ein Schreibtischstuhl, und die Lehne war fast waagerecht zurückgekippt.
    »Dahin«, sagte Meike bestimmt und berührte sein linkes Schulterblatt. »Gieles weiß noch nicht, was es wird.«
    Also versteckt sie unter dem runden Pflaster ihr neues Tattoo .
    »Du weißt nicht, was es wird?«, fragte der Tätowierer und zog schwarze Gummihandschuhe an.
    »Nein«, sagte Gieles.
    »Trotzdem bist du total relaxed. Das seh ich an deiner Haut. Wenn jemand Stress hat, ist die Haut gespannt. Fürs Tätowieren ist das Scheiße. Dann kann es sein, dass zum Beispiel ein Anker auf einmal ’nen Knick hat. Aber du bist relaxed. Entweder bist du …«, ein kleines Rasiermesser glitt über sein Schulterblatt, »der coolste Typ, den ich seit langem tätowiert hab. Oder du bist stoned. Aber du bist nicht stoned, oder?«
    Gieles spürte eine kalte Flüssigkeit und schüttelte den Kopf. Er roch Desinfektionsmittel.
    Vielleicht ein Totenschädel .
    »Gut«, sagte Lazy Lex. »Wusst ich doch. Denn das seh ich sofort. Ich war mal ’ne Weile Kunstlehrer, und wenn die Teenies auf Drogen waren, war ich der Erste, der’s gemerkt hat.«
    Meike zog einen Hocker heran und setzte sich Gieles direktgegenüber. Ihr Batikgewand erinnerte an ein schlechtes Aquarell von einem Regenbogen. Zu viel Wasser, zu wenig Farbe. Die Souvenirs seiner Mutter waren meistens ätzend.
    Meikes schönes Gesicht leuchtete über den verwaschenen Farben. Das Kohlepapier wurde auf Gieles’ Haut gedrückt. »Einen Moment warten«, sagte Lazy Lex. Er nahm die Einzelteile der Tätowiermaschine aus Plastikhüllen und setzte sie routiniert zusammen wie ein Marineinfanterist sein Gewehr. Es fiel Gieles auf, dass der Tätowierer selbst keine Abbildung auf seinem Körper hatte. Jedenfalls nicht an den sichtbaren Stellen.
    Lazy Lex schaltete das Radio an und stellte einen Klassiksender ein.
    »Wie gesagt«, seine Hände tanzten dirigierend durch die Luft, »ich bin Old School. Ach ja, wie geht’s eigentlich meinem Alten? Raucht er immer noch?«
    Meike kicherte. »Ich glaube schon. Als ich Dino das letzte Mal abgeholt hab, kam jedenfalls Rauch durch die Vorhänge.«
    Beide lachten über den alten Paffer mit seiner Sauerstoffflasche. Dann schaute der Tätowierer Meike nachdenklich an.
    »Hör mal, wenn du willst, kann ich das Tattoo auf deiner Wange gleich wegmachen. Mit Laser. So mit dem Puder drauf sieht es aus wie ein Altersfleck.«
    Ohne ihre Antwort abzuwarten, drehte er sich um und schaltete die Tätowiermaschine ein. In die Violinklänge aus dem Radio mischte sich das Geräusch eines Zahnarztbohrers zusammen mit dem Summen von Lazy Lex.
    Gieles spürte die Nadel in seiner Haut und den Gummihandschuh auf seinem Rücken.
    Ein Herzchen mit unseren Initialen .
    »Tut’s

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