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Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan König
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hangelte er sich am Kleiderschrank
entlang, hielt sich am Türrahmen fest, dann sah sie ihn nicht mehr, doch sie
wusste, dass er jetzt an der Garderobenstange Halt fand, dann am Türstock der
Toilette, an der Duschwand, am Waschbecken, und dass er sich direkt daneben
aufs Klo fallen lassen konnte. Sie hörte bis ins Schlafzimmer, dass er lange
und ausdauernd urinierte. Erst als sie auch die Klospülung hörte, stand sie auf
und ging ebenfalls raus.
    Er ist wirklich alles andere als schön, mein Schwarzenbacher, dachte
sie. Er hockte auf einem Schemel vor dem Waschbecken und putzte sich die Zähne.
Sein Haar, schon wieder viel zu lang, war zerzaust und stand nach allen
Richtungen vom Kopf ab. Und das Rasieren hätte er schon vorgestern wieder nötig
gehabt.
    Ellen pinkelte, wusch sich die Hände und sagte: »Ich mach dir einen
Kaffee. Tasse oder Kanne? Entscheid dich schnell, weil ich mag mich noch mal
hinlegen.«
    Es ist einfach unglaublich, dachte sie. Wie lange ist das her, seit
ich ihn so aktiv gesehen habe? Seit dem letzten Krankheitsschub nicht mehr.
    Wenig später duftete die ganze Wohnung nach gutem und starkem
Filterkaffee, so wie Schwarzenbacher ihn liebte, und Ellen saß im Bademantel
bei ihm am Tisch und verfolgte das Telefongespräch, das er führte.
    »Jaa … ich bin’s … Paul! Verstehst du mich nicht?«
    Er wandte sich zu Ellen und flüsterte: »Ganz schlechter Empfang.
Hosp geht vor die Hütte, da müsste es hoffentlich besser sein.«
    Es verging eine ganze Weile. Schwarzenbacher hielt den Hörer mit der
einen Hand still an sein Ohr, mit der anderen griff er nach der Tasse, um
wieder einen Schluck vom Kaffee zu nehmen. »Tut gut«, flüsterte er.
    Dann schien Hosp besseren Empfang zu haben. Das Gespräch fand seine
Fortsetzung. Und Ellen merkte schnell, um was es ging.
    »Kein Mensch denkt noch an die Frau des Fotografen, stimmt’s? Sie
war bei euch auf dem Revier, stimmt’s? Ja? Es muss kurz nach der Verhaftung von
diesem Manczic gewesen sein, als eine Information zur anderen kam. Von ihr
wissen wir doch erst, dass sich Tinhofer in den Bergen aufhält. In der Nähe
dieser … wie heißt sie gleich, diese Hütte? … Ja, in der Nähe der Kasseler
Hütte aufhält. Ihr Mann ist dort irgendwo. Und ich gehe davon aus, dass ihr ihn
noch nicht gefunden habt. Hörst du mich? Bist du noch da?«
    Zu Ellen flüsterte er über den Tisch: »Blöde Berge.«
    »Aah … da bist du wieder. Ich habe gesagt, dass ich vermute, dass
ihr Tinhofer auch noch nicht gefunden habt. Stimmt doch, oder? Jetzt versetz
dich mal in die Lage dieses Auftragsmörders. Er weiß, und diese Vermutung hat
die Frau doch geäußert, dass sein eigentliches Opfer irgendwo im Gebirge
unterwegs ist. Genauso gut könnte er im Wacker-Fanclub einen Austria-Anhänger
suchen. Kaum Chancen, ihn zu finden. Also, was würdest du an seiner Stelle
tun?«
    Ellen sah Schwarzenbacher nicken. Wieder und wieder.
    »Genau«, sagte er dann. »Ich sähe keine Chance, ihn in den Bergen zu
finden. Aber ich könnte seine Frau besuchen und in der Wohnung warten, bis
Tinhofer nach Hause kommt. Und falls das zu lange dauert … Ja, da will man gar
nicht dran denken.«
    Es dauerte noch einige Zeit, bis Schwarzenbacher das Telefon
abschaltete und auf den Tisch legte.
    »Hosp veranlasst alles Nötige«, sagte er. »Sie werden das Haus
observieren und einen vorbeischicken, irgendwie getarnt. Er soll herausfinden,
ob alles in Ordnung ist. Oder ob doch was dran ist an meiner Befürchtung. Es
wäre mir lieber, meine Sorge wäre unbegründet. Das kannst du mir glauben.«
    *
    Zu dieser Zeit war Kurth jedoch schon seit Stunden in der
Wohnung, in der Tinhofer mit seiner Frau Marianne lebte. Nur dass Tinhofer eben
nicht da war. Es war ganz leicht gewesen, sich Zutritt zu verschaffen. Zweimal
hatte er geläutet, abends um halb elf. Einmal relativ kurz, beim zweiten Mal
länger und drängender. Die Frau hatte sich über die Sprechanlage gemeldet, barsch,
wie er es nicht anders erwartet hatte, jedenfalls nicht um diese Uhrzeit: »Ja?
Bitte?«
    Er wusste um seinen Akzent, und er war sich ganz sicher, dass sie
ihn normalerweise als den Anrufer in Sachen Buchpublikation wiedererkennen
würde. Doch er glaubte auch daran, dass die Nachricht, die man verkündete, nur
erschreckend genug sein musste, damit jemand jeglicher Vernunft beraubt wäre.
    »Oskar hier«, sagte er. »Oskar Meier. Ich habe Ihren Mann getroffen
in den Bergen. Haben gemeinsam Tour gemacht. Ist ihm etwas passiert

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