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Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan König
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dann muss er diese
fürchterlichen Meldungen in der Zeitung lesen! Sein Ansehen war doch
schlagartig zerstört. Was dann wirklich geschehen ist, kann ich auch nicht
sagen. Es gab viele Gerüchte, und die meisten haben sich dann wohl bestätigt.
Schleichend wurde all das offensichtlich, was schon vor Längerem gemunkelt
worden war. Soweit ich weiß und mich erinnern kann – du weißt, Jonas, dass ich
nicht mehr der Jüngste bin, und musst berücksichtigen, dass mich meine
Erinnerungen trügen können –, kam damals eins zum anderen. Er trank. Was aber
weiter nicht verwundern kann, oder? Er verlor seine Arbeit – ich glaube, er
hatte eine Stelle bei der ÖBB , irgendwas in der
Verwaltung. Der Mann war nicht mehr in der Lage, einer geregelten Tätigkeit
nachzugehen, psychisch, physisch und vor allem auch wegen seines Alkoholismus.
Dann verließ ihn die Frau. Es muss einige Jahre nach dem Tod der Tochter gewesen
sein. Kein Einzelfall übrigens, dass nach derartigen Schicksalsschlägen, bei
denen Kinder das Leben verlieren, Ehen in die Brüche gehen.«
    »Aber …«
    »Was aber?«
    »Aber … man sollte doch meinen«, stammelte Parth, »dass
Schicksalsschläge die Menschen enger aneinanderbinden?«
    Der Geistliche Rat Müller lächelte ein wenig, was Parth aber nicht
sah.
    »Du bist noch sehr jung. Wenn du mal mein Alter hast, wirst du
verstehen, dass das Leben da draußen komplexer ist, als wir Kirchenleute es
glauben – und wenn schon nicht glauben, dann immerhin predigen.«
    Parth schüttelte den Kopf. Er hatte Antworten erhalten, und zugleich
waren ganz neue Fragen aufgetaucht. Er stand auf, nickte dankend und sagte:
»Ich muss mir das alles durch den Kopf gehen lassen. Die schlimmen Worte des
Mannes haben mich geschockt, und mein Innerstes scheint immer noch zu zittern.«
    Als er dann im Begriff war hinauszugehen, blieb er noch einmal
stehen, wandte sich um und sah nachdenklich auf Müller, der entspannt
zurückgelehnt auf seinem hohen Stuhl saß.
    »Eines noch: Von was lebt dieser alte Mann? Ich meine: Wie kommt er
durchs Leben, so allein und mit seinem kranken Hass?«
    Müller hob die Hände in einer kraftlosen Bewegung.
    »Man geht nicht ganz unter hierzulande – wenn man es nicht will.
Vielleicht hat er eine kleine Rente, vielleicht bekommt er Stütze vom Amt, ich
weiß es nicht. Jedenfalls kam er mir nie ungepflegt vor, seine Kleidung ist
ordentlich. Er ist mit Sicherheit kein Sandler, der auf den Bänken am Rennweg
schläft.«
    Und nach einer kurzen Stille, in der die Holzwürmer in den alten
Klostermöbeln zu hören waren, fügte er hinzu: »Wir sollten diese arme Seele in
unser Gebet einschließen.«
    *
    »Das Mädchen … war es von hier?«, fragte Marielle.
    Hosp nickte. »Innsbruckerin. Ging hier zu Schule. Kam aus gutem
Haus. Mittelstand. Der Vater bei der Bahn, die Mutter Hausfrau. Sie war das
einzige Kind.«
    Wieder breitete sich Stille aus. Doch diese Stille wurde von Ellen
durchbrochen. Schwungvoll betrat sie das Zimmer, begrüßte einen nach dem
anderen, küsste Paul auf die Wange und meinte dann: »Ihr macht ja ziemlich
betretene Gesichter. Ist wer gestorben?«
    In dem Moment, da sie das sagte, wurde ihr an den Augen von Pablo
und Hosp bewusst, dass sie voll ins Schwarze getroffen hatte. Sie biss sich auf
die Unterlippe, murmelte etwas von Fettnäpfchen, verschwand aus dem Zimmer und
machte sich in der kleinen Küche daran, allen ein paar Kleinigkeiten zum
Knabbern herzurichten.
    »Ja!«, rief Schwarzenbacher ihr nach, wobei er sich noch mehr in
Sitzposition brachte. »Ja, verdammt noch mal, es ist jemand gestorben. Das ist
zwar lange her – aber es wirkt nach bis heute. Weil jetzt wieder jemand tot
ist. Und zwar wegen der Sache von damals.«
    Pablo und Marielle starrten Schwarzenbacher an. Meinte er wirklich,
dass da ein unmittelbarer Zusammenhang bestand? Dass Spiss ermordet worden war,
weil er der vermeintlich Schuldige war am Tod von Carla Manczic?
    Hosp sah Schwarzenbacher nicht an. Er saß, den Oberkörper nach vorn
geneigt, auf der Kante eines Polstersessels, den Kopf hatte er gesenkt, er
schien zu grübeln und Schwarzenbachers Geplärre keinerlei Bedeutung
beizumessen.
    Erst als er von ihm direkt angesprochen wurde, hob er den Kopf und nickte.
    »Ich sehe es genauso wie du«, sagte er leise. »Da besteht ein
Zusammenhang.«
    »Ihr meint, dass jemand Rache nimmt?«, fragte Marielle. »Nach so
langer Zeit?«
    »So etwas in der Art«, gab Hosp zur Antwort. »Ich weiß nicht, warum
dieser

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