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Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan König
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seiner Achtung vor dem
Betenden und dessen Zwiesprache mit Gott. Im Abstand von etwa drei Metern blieb
er stehen, nahm eine Hand vor den Mund und räusperte sich, um seine Anwesenheit
kundzutun.
    Der Mann zeigte keinerlei Reaktion.
    Parth räusperte sich noch einmal und sagte dann, leise und mit
betont sanfter Stimme: »Ich freue mich, dass Sie so oft in unsere Kirche
kommen. Ich habe Sie schon öfters gesehen, wenn Sie hier gebetet und Kerzen …«
    Der Mann drehte sich langsam zu ihm um. Ein altes Gesicht. Fahle
Haut mit tiefen Falten. Vor allem die steilen Falten auf der Stirn fielen dem
Geistlichen auf. Die Augen aber …
    Parth hielt ihn für mindestens achtzig. Das spärliche Haar war grau,
die Schultern hingen herab, krank, sehr alt, vom Leben gezeichnet, ja, so
wirkte sein Gegenüber auf ihn. Aber die Augen passten nicht dazu. Passten
überhaupt nicht dazu. Sie waren jünger. Sie waren nicht achtzig, nicht siebzig,
nicht sechzig. Die Augen eines Vierzigjährigen vielleicht. Und sie waren kalt
und hart und zeigten gar nichts Demütiges. Mit diesen harten, kalten Augen sah
der Mann ihn an.
    »Wo Sie so oft kommen … Ich dachte mir, wir könnten uns einmal
unterhalten. Ich bin sozusagen noch ein Priester alter Schule, einer, der seine
Schäflein, wie es so schön heißt, gern noch persönlich kennenlernt …«
    Der Mann senkte den Blick und schüttelte den Kopf.
    »Verstehen Sie mich nicht falsch«, sagte der Geistliche. »Ich will
mich um Gottes willen nicht aufdrängen. Aber ich würde Ihnen gerne
signalisieren, dass Sie in mir vielleicht einen Gesprächspartner finden
könnten.«
    Und er fügte mit etwas leiserer Stimme hinzu: »Sie sind ja kein
Unbekannter. Man weiß um Ihr schweres Schicksal. Und ich darf wohl hinzufügen:
Es ist gut, dass Sie es in der Hinwendung zu Gott meistern. Gottes Liebe wird
Sie befreien.«
    Der Mann sah wieder auf. Sah den Priester mit eisig funkelnden Augen
an. Und dann sagte er etwas zwischen den zusammengepressten Zähnen hindurch,
was Parth zutiefst erschütterte: »Gottes Liebe … Die kann mir gestohlen
bleiben. Um seinen Hass bete ich, um seinen abgrundtiefen Hass. Jeden Morgen,
jeden Abend. Um nichts sonst.«
    Dann ging er an Parth vorbei, ohne ihn noch einmal anzusehen, ging
hinaus aus der Kirche, und die schwere Tür schloss sich hinter ihm mit einem
dumpfen Schlag.
    Der Pastoralpraktikant war konsterniert. Alle möglichen Reaktionen
hätte er sich erwartet, eine solche aber nicht. Er setzte sich in eine
Kirchenbank und schaute ins Leere. Er rang um Fassung. Zwar hatte er schon in
mehreren Fällen erlebt, dass sein Wohlwollen auf taube Ohren oder gar Ablehnung
gestoßen war, doch hatte es sich dabei um todkranke oder geistig stark
verwirrte Menschen gehandelt. Nie zuvor war ihm indes so viel Wut und so viel
Hass in derartiger Unmittelbarkeit begegnet.
    Die Worte des Mannes empfand er als gotteslästerlich. Doch das war
ihm egal. Was ihn bewegte, tief in seinem Herzen und seinem ganzen Empfinden,
war der Wunsch herauszufinden, was es mit diesem Mann auf sich hatte.
    Ich will wissen, von welchem Schicksal der Mann so geplagt wird. Was
ihn derart verbittert hat. Ich muss es wissen, dachte er.
    *
    »Reinhold Spiss war 1979 in einen medienträchtigen Skandal
verwickelt«, berichtete Hosp. »Er hatte sich eine ganze Kette von
Reifen-Service-Häusern aufgebaut, hatte Familie, Frau und eine halbwüchsige
Tochter. Und er war ausgesprochen erfolgreich. Was er anfing, schien zu Gold zu
werden. Er war einer von denen, die aus Scheiße Geld machen können, wie es so
schön heißt. Das blieb übrigens auch nach 1979 so. Er hatte ein Händchen für
Geschäfte …«
    »Und was war 1979?«, fragte Schwarzenbacher ungeduldig, der sich
noch ein wenig erinnern zu können glaubte – auch wenn er da noch ein Jungspund
war und jetzt alles ewig zurücklag.
    Sie saßen um den Couchtisch in Schwarzenbachers Wohnung: Hosp,
Marielle, Pablo. Schwarzenbacher selbst lag mehr, als dass er saß, auf der
Couch. Dr. Reuss, der Anwalt, hatte zunächst auch kommen wollen, dann aber
kurzfristig absagen müssen wegen eines dringenden Termins in der Kanzlei – was
ihm aber keiner abnahm. Seit seine Ehe angefangen hatte, ganz offen in die
Binsen zu gehen, war er, zumindest was solche Treffen anging, nicht mehr sehr
verlässlich.
    »Also, nun sag schon, was ist damals geschehen?«
    Das Zimmer war überheizt. Außerdem hätte Lüften mal nicht geschadet.
Aber wenn Ellen nicht da war, geschah das viel zu

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