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Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan König
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dass er den Fahrpreis bis Kufstein gezahlt hatte.
    Wahrscheinlich besucht er hier irgendjemanden, dachte er. Und
deswegen fahr ich nach Wattens und lauf hier rum …
    Am Bahnhof stieg Manczic in den Bus, der zu den Kristallwelten von
Swarovski fuhr. Pablo stieg kurz nach ihm ein. Er war sich ganz sicher, dass er
bislang nicht bemerkt worden war. Manczic ahnte gewiss nichts davon, dass er
einen besonderen Schatten hatte.
    Als Manczic dann unweit des »Liegenden Riesen«, der die
Kristallwelten beherbergte, zu den Kassen ging, glaubte Pablo immer noch, er
würde hier jemanden kennen. Dass Manczic, der nichts war und der nichts hatte,
eine Karte kaufen würde, um dann einzutauchen in die
Kitsch-Kunst-Phantasie-Welt des André Heller, wäre ihm im Traum nicht
eingefallen.
    Doch er tat genau das. Kaufte eine Karte für elf Euro und ging
hinüber zum Eingang, der hinter der Wasserfallzunge des Riesen verborgen lag.
    Wieder sagte Pablo: »Scheiße, scheiße, scheiße.«
    Es gab gleich zwei Gründe, Manczic nicht in den Riesen zu folgen.
Der eine war, dass er Gefahr liefe, doch noch aufzufallen. Er war vor Jahren
einmal in den Kristallwelten gewesen und wusste, dass man sich da nicht leicht
verbergen konnte – höchstens, wenn sich gerade eine Busladung Touristen
durchschob und man sich irgendwie daruntermischen konnte.
    Der andere war noch viel lapidarer: Ihm ging das Geld aus. Von den
knapp dreißig Euro, die er dabeigehabt hatte, waren fast vierzehn für das blöde
Ticket nach Kufstein draufgegangen. Dann hatte der Bus hierher gekostet, die
Rückfahrt nach Innsbruck hatte ihren Preis – verdammt, dachte er, ich spar mir
das und warte, bis Manczic wieder rauskommt. Selbst, wenn er in der kleinen
Cafeteria noch was trinkt, wird das wohl kaum länger als eine Stunde dauern.
    Er wusste, dass der Eingang nicht mit dem Ausgang identisch war.
Dass Manczic irgendwo an der Rückseite rauskommen, den Riesen gleichsam durch
den Enddarm verlassen würde, dort, wo auch ein Labyrinth in Form einer Hand
angelegt war. Doch das konnte ihm egal sein: Um wieder zum Bus und zur Bahn zu
gelangen, würde er hier, nahe den Kassen, vorbeikommen.
    Ich warte, dachte Pablo.
    Er hockte sich am Ufer des Teichs, der vom Wasserfall gespeist
wurde, in die trockene Wiese, holte das angestoßene Taschenbuch aus der
Gesäßtasche – »Die Maschine des Aldo Christofari«, phantastische Erzählungen
des italienischen Schriftstellers Dino Buzzati – und las die Geschichte
»Bergsturz« weiter.
    Obgleich die Erzählungen Buzzatis einen enormen Sog auf einen Leser
auszuüben vermochten, gelang es Pablo nicht so recht, sich zu konzentrieren,
sich hineinfallen zu lassen in die obskuren Begebenheiten, die hier geschildert
wurden. Immer wieder schaute er auf, ob Manczic vielleicht schon zurückkäme.
Und von dem Weg, den er kommen musste, sah er zum Kopf des Riesen: Ein
freundlicher Riese, das Gesicht von Efeu oder so etwas Ähnlichem überwuchert;
die Wasserfallzunge zeigte kein »Zunge-Rausblecken«, sondern wirkte auf ihn wie
eine Preisgabe der Persönlichkeit, eine Geste der Offenheit, einladend,
verlockend, dabei nichts Schlechtes verheißend. Anders verhielt es sich mit den
Augen: Groß und rund, wechselten sie ständig die Farbe. Gerade noch weiß wie
Gletschereis, waren sie im nächsten Moment himmelblau, violett oder rosa.
    Dieses Augenspiel hatte etwas Faszinierendes und zugleich
Beunruhigendes. Fast hätte er meinen können, es wäre in der Lage, einen
Menschen von labilem Gemüt zu hypnotisieren.
    Bin nicht labil, dachte er.
    Und doch: Diese sanften Augen mit ihren wechselnden Farben kündeten
von Wundern und Geheimnissen. Lautlos sagten sie, dass drinnen im Riesen etwas
Besonderes vor sich ging. Etwas Geheimnisvolles. Etwas, das nicht von dieser
Welt war. Oder nicht in diese Welt gehörte …
    *
    Schwarzenbacher ließ sich von Ellen durch die Stadt schieben. Es
war ein wunderbar milder Frühsommernachmittag, die Cafés hatten draußen
bestuhlt, die Menschen flanierten durch die Maria-Theresien-Straße, genossen
ihren Latte macchiato oder ließen sich von den Schaufenstern bezirzen.
    »Tut gut, ein bisschen rauszukommen. Oder?«, sagte Ellen.
    Es tat ihm gut. Aber Schwarzenbacher war nicht in der Stimmung, das
zuzugeben.
    »Wollen wir uns auf einen Verlängerten irgendwo in die Sonne setzen?
Ich hätte Lust darauf.«
    Er nickte und sagte dann: »Jetzt Kaffee, und nachher fährst du mich
zu Hosp. Ich möchte kurz was mit ihm bereden.«
    »Bis in die

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