Glückliche Ehe
wollen.
Ein breites Lächeln entblößte erstmals Margarets Zähne und damit einen kleinen Schönheitsmakel. Die Zähne waren zu klein für ihren großzügigen Mund und standen auf Abstand wie die eines Kindes. »Du hast wirklich einen Mateus?«, sagte sie, und ein breites Grinsen stand ihr im sommersprossigen Gesicht.
»Ja, irgendwer muss ihn ja kaufen«, gab Enrique beleidigt zurück.
»Keinen Scotch? Keinen Jack Daniel’s?«, fragte sie lachend.
»Keine harten Sachen«, gestand Enrique und ließ in gespielter Scham den Kopf hängen. »Nur billigen Wein.«
»Hab’s dir ja gesagt«, sagte Bernard.
Enrique schloss die Kühlschranktür – vielleicht ein bisschen zu vehement. »Was hast du ihr gesagt?«, wollte er wissen.
»Dass du nicht trinkst«, sagte Bernard, wobei eine unangezündete Zigarette zwischen seinen Lippen tanzte wie ein Dirigentenstab. Er legte den Kopf eines Streichholzes an die rauhe Reißfläche und klappte den Deckel des Briefchens darüber. Enrique sah zu, wie Bernard das Streichholz in einem eleganten Schwung wieder herauszog und es sich vorschriftsmäßig in der Luft entzündete. Ein paar Monate zuvor hatte Enrique bei einer ihrer nachmittäglichen Frühstückssitzungen Bernards beneidenswerte Techniknachzuahmen versucht. Er hatte das Streichholz problemlos entzündet, aber gleichzeitig auch das ganze Briefchen, das zu einem Feuerball explodiert, ihm aus der Hand geschnellt und davongezischt war, was zwei in der Nähe sitzende ältere Gäste zu Tode erschreckt, Bernard ein hochmütiges Lächeln entlockt und den Kellner erzürnt hatte, weshalb er ihnen, nachdem er das Brandgeschoss ausgetreten hatte, an diesem Tag nur noch zwei mickrige Becher von dem Gratis-Nachfüllkaffee servierte. Spätere Versuche, Bernards Technik zu meistern, hatten ähnliche Ergebnisse gezeitigt.
»Wie kommt’s, dass du nichts trinkst?«, fragte sie und sah ihn mit den leuchtend blauen Augen an.
»Ich trinke wohl«, wehrte sich Enrique, während er seinen Inquisitoren den Aschenbecher brachte.
»Er trinkt nicht, weil er nicht auf dem College war«, sagte Bernard und hielt das abgebrannte Streichholz in die Luft – eine traurige Freiheitsstatue, der es nicht gelungen war, Enrique mit ihrer Fackel den Weg an die Gestade der Bildung zu weisen.
»Ah, ja!«, sagte Margaret und griff hinter sich in eine ihrer Jackentaschen, um ein Päckchen Camel Light herauszuziehen. »Bernard hat mir erzählt, du hast das College geschmissen, um zu schreiben.«
»Ich habe die Highschool geschmissen«, sagte er, das Trumpfass jetzt in der Hand, »um meinen ersten Roman zu schreiben.« Er glitt mit seinen weißen Socken über die lackierten Eichendielen und bot Margaret den Glasaschenbecher dar – ein hagerer, langhaariger Vasall in schwarzer Jeans, der den rastlosen Wildlederstiefel der Prinzessin fragt: Gut genug? Gut genug? Gut genug?
»Du hast die Highschool nicht abgeschlossen?«, fragte sie.
»Ich habe nicht mal die zehnte Klasse abgeschlossen«, sagte er, jetzt schon weniger stolz, weil er sich nicht sicher war, ob diese Negativleistung sie beeindrucken würde.
»Na ja, wenigstens bist du lange genug geblieben, um rauchen zu lernen«, bemerkte Margaret trocken, während sie ihre bestiefelten Füße auf den Boden schwang und sich vorbeugte, um seine gläserne Gabe anzunehmen, und dann – diese bodenlosen blauen Augen waren plötzlich ganz dicht vor seinen, fünfzehn Zentimeter vielleicht oder noch weniger, und in Enrique passierte etwas, als ob eine Gitarrensaite riss. Ein Ruck und ein Vibrieren in seinem Herzen, ein deutlicher Knall in seiner Brust. Er hatte die Highschool geschmissen und nie etwas über Anatomie gelernt, aber er wusste, das Herzkreislaufsystem hatte nicht so zu reagieren, als ob es Quell und Zentrum des Fühlens wäre. Und doch hätte er vor aller Welt schwören können – wobei er nicht davon ausging, dass er es je irgendjemandem gestehen würde –, dass Margaret sich gerade sein sprödes Herz geschnappt hatte.
2 AHNUNG
E nrique studierte ihr schlafendes Profil, die tiefe Ativan-Betäubung – ihre Zuflucht vor den Schrecken, denen sie allein ausgeliefert war. Ganz allein, musste er zugeben, obwohl er sein Bestes getan hatte und mit streberhaftem Eifer bei jeder Untersuchung, jeder Computertomographie und jedem Kernspin, jeder Chemo-Infusion bei Margaret gewesen war, die Finger in ihre geflochten, bis er sie an sich zischend schließenden OP-Türen hatte loslassen müssen. Und selbst während
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