Gnadenfrist
traurige Geschichte.« Petro grinste. »Er wird sterben. Sein Doktor hatte ihm gerade die grausige Nachricht mitgeteilt. Der arme alte Nonnius leidet an einer unheilbaren Krankheit.«
»Irgendwas Schreckliches, worüber man nicht spricht?«
»Genau wie sein Beruf!« knurrte Petro. Dann erzählte er die Geschichte der Reihe nach. »Im Frühjahr erfuhr ich zufällig, daß Nonnius von seinem Lieblingsmedicus den Rat bekommen hatte, seinen Beruf aufzugeben …«
»Zufällig?« Eine äußerst glückliche Fügung.
Petro war nun in Fahrt und ließ sich durch meine Skepsis nicht ablenken. »Nonnius erfährt also von diesem Äskulapjünger, daß er am Ende ist, aber der Doktor sagt, er würd’s noch ein bißchen länger machen, wenn er auf sich achtgibt – keine Sorgen, gute Pflege …«
»Teuer!« Allmählich sah ich, worauf Petro hinauswollte.
»Ein vom Arzt verschriebenes Luxusleben! Ich mach mich an ihn ran, während er noch ganz unter dem Schock dieser furchtbaren Nachricht steht, leih ihm ein mitfühlendes Ohr und mache ihm dann unauffällig klar, daß er sein Leben lang für Balbinus rumgerannt ist, während die fette Ratte faul auf dem Diwan lag und ihre Einnahmen zählte – und wofür das alles? Jetzt sei es doch wohl an der Zeit, für ein wenig gerechten Ausgleich … Da Nonnius sein kriminelles Leben nun aufgeben muß, läßt er sich rasch überzeugen, statt dessen nach Besserem zu greifen. Das gefällt dem Mistkerl: in der Sänfte über das Forum getragen werden, den Sklaven vom Fenster aus Befehle geben und von kriecherischen Bewunderern begrüßt werden, die dafür auf Geschenke hoffen. Mehr noch, plötzlich ist er ganz verliebt in die Idee, Balbinus auszuplündern.«
Ich lachte kurz auf. »Die Loyalität der Diebe! Also war er bereit, gegen ihn auszusagen?«
»Für die übliche Belohnung.«
»Du hast einen Handel mit ihm abgeschlossen?«
»Alles ganz legal. Er erschien vor Marponius und hat gesungen wie ein fröhlicher Finkenhahn. Im Gegenzug kann er als erfolgreicher Kläger einen Anteil an Balbinus’ Besitztümern beanspruchen. Der einzige Haken dabei ist, daß er uns helfen muß, die Sachen aufzuspüren. Aber dafür Buchhalter einzustellen, lohnt sich durchaus für ihn. Weil er selbst als Geldeintreiber gearbeitet hat, kennt er bestimmt den einen oder anderen, der mit gezinktem Abakus arbeitet und Phantasie genug hat, sich vorzustellen, wo die Diebesbeute versteckt sein mag.«
»Hinreißend!« Ich lachte laut. Wir gossen uns Wein nach, der nun fast genießbar schmeckte. »Aber bei der Anklage gegen Balbinus mußt du sehr gründlich zu Werke gegangen sein, Petro. Was hast du ihm vorgeworfen?«
»Mord. Das einzige, was funktionieren konnte.«
»Natürlich. Es mußte ein Kapitalverbrechen sein.«
»Genau. Bei allem anderen wäre er mit einer Geldstrafe davongekommen. Und egal, wie hoch die ausgefallen wäre, das hätte ihn nicht zur Strecke gebracht. Der Mann konnte Tausende ausspucken, ohne daß es ihn gejuckt hätte.«
Ich sprach es nicht aus, aber jedes Gerichtsverfahren gegen Balbinus, aus dem er als freier Mann hervorgegangen wäre, hätte Petro selbst in tödliche Gefahr gebracht. Es gab keinen Grund, darauf herumzureiten. Petro wußte das nur allzu gut.
»Wer ist denn nun abgemurkst worden – und wie konntest du Balbinus den Mord in die Schuhe schieben?« Ich nahm nicht an, daß er eigenhändig jemanden erdolcht hatte. »Sich die eigene Tunika mit Blut zu bekleckern, ist nie sein Stil gewesen.«
»Ein glücklicher Zufall«, erwiderte Petro. »In Platons Akademie.« Das Bordell, das wir bereits erwähnt hatten. »Dort ist man darauf spezialisiert, ausländische Besucher auszunehmen. Irgend einem armen Lykier sollte der Geldbeutel abgeknöpft werden. Während er auf allen vieren herumkroch und ihn das Mädchen wie gewünscht durch die Gegend peitschte, beging er den Fehler, ein Rascheln im Stroh wahrzunehmen. Er sprang auf und entdeckte den Komplizen des Mädchens, der gerade nach seiner Börse griff. Statt sich diskret bei der Puffmutter zu beschweren, das Bordell mit einer Entschuldigung zu verlassen und beim nächsten Mal klüger zu sein, hob der Idiot die Fäuste und ließ sich auf einen Kampf ein. Der Beutelschneider war so überrascht von dem unsportlichen Verhalten des Lykiers, daß er ihn auf der Stelle erdolchte.«
Ich stieß einen Pfiff aus. »Jemand sollte Warnungen an unbedarfte Reisende ausgeben! Aber wie konntest du es beweisen? Die Puffmutter ist doch sicher gewöhnt,
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