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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Arm auf den Sims legen. Nun stand ich nur noch auf Zehenspitzen und wußte, daß ich kaum eine Chance haben würde, wieder runter zu kommen. Ich zog mich hoch, schaffte es halb ins Fenster und spürte, wie sich die Leiter von der Wand wegbewegte. Ich ließ sie umfallen.
    Jetzt hing ich an das Fenster geklammert fest. Mir blieb nichts anderes übrig, als ganz hineinzuklettern. Mit gewaltiger Anstrengung schob ich mich weiter und fiel kopfüber hinein. Rasch rappelte ich mich auf und prüfte nervös den Boden unter mir.
    »Ist hier jemand?«
    Der Raum war voller Rauch. Er war aus den zwei unteren, lichterloh brennenden Stockwerken hochgestiegen und durch die vielen Ritzen und Spalten eingedrungen. Es war unerträglich heiß. Der Boden unter meinen syrischen Pantoffeln verbrannte mir die Fußsohlen, als sei er rotglühend. Jeden Moment konnte um mich herum das Inferno ausbrechen.
    Im rückwärtigen Teil der Wohnung war das Feuer bereits durchgedrungen. Der Lärm war erschreckend. Wände und Böden stürzten ein. Flammen schossen brüllend hoch. Licht flackerte wild durch eine offene Tür.
    Ich entdeckte eine menschliche Gestalt. Jemand hockte zusammengekrümmt in der Ecke des Zimmers. Natürlich kleiner als ich. Fließende Frauengewänder. Den Kopf gegen den Rauch fest eingewickelt.
    Um die Frau zu beruhigen, gab ich mich jovial: »Sie müssen hier raus, Gnädigste!« Ich ging auf sie zu, wollte sie mir über die Schulter werfen, wußte allerdings nicht genau, wohin ich mich danach mit meiner Last wenden sollte.
    Da sah ich ein Messer aufblitzen. Es blieb keine Zeit, mit ängstlicher Jungfräulichkeit sanft umzugehen. Mit einem harten Handkantenschlag stieß ich das Messer beiseite. Ein Fuß schoß hervor. Einen Tritt in die Eier befürchtend, schaute ich nach unten. Unter dem Besatz des matronenhaften Rockes ragte ein graulederner Reisestiefel hervor – an einem Fuß so groß wie meinem. Es war ein Stiefel, den ich schon mal irgendwo gesehen hatte – am Kai in Ostia. Dies war Balbinus Pius.
    Ich zerrte die Stola beiseite. Eine Hand griff nach meiner Kehle. Ich schlug sie mit dem Unterarm hoch. Er hätte meine Überraschung ausnutzen sollen, aber er fummelte immer noch an seiner Verkleidung herum, unterschätzte die Bedrohung. Wäre Petronius hier hereingestolpert, Balbinus hätte sich sofort auf ihn gestürzt; Petro wäre tot. Ich war weniger in Gefahr. Balbinus hatte sich nicht die Mühe gemacht, mich im Gedächtnis zu behalten.
    Aber ich kannte Balbinus. Ich zog mein arabisches Schwert. Die Scheide war reinste Dekoration, die Waffe aber gefährlich scharf. Ich setzte ihm die Spitze gegen die Rippen und stieß das Schwert in seine Brust.
    Ich hörte mich knurren: »Die Gnadenfrist ist abgelaufen, Balbinus!« Aber er war bereits tot.

LXIX
    Draußen krachte etwas gegen das Fenster. Von gegenüber hörte ich Geschrei. Ich wischte mein Schwert ab, steckte es in die Scheide und taumelte zum Fenstersims. Die Vigiles hatten auf der anderen Seite der Gasse, die zum Glück schmal war, eine Leiter hochgehievt, balancierten sie nun vorsichtig über eine Balkonbrüstung und schoben das andere Ende in meine Richtung. Wenn ich den Mut aufbrachte, konnte ich über die volle Breite der Brunnenpromenade in Sicherheit kriechen. Viel Zeit zum Nachdenken blieb mir nicht. Das Feuer fraß sich in der Wohnung hinter mir durch. Ich schlüpfte aus meinen Pantoffeln (die ziemlich teuer gewesen waren) und warf sie hinunter, überprüfte dann, ob die Leiter auf meiner Seite fest auflag, und krabbelte los.
    Ich schaffte es. Lassen wir es dabei bewenden. Es gibt nur eine Möglichkeit, drei Stockwerke über dem Boden auf einer schwankenden Leiter um sein Leben zu krabbeln, und die ist würdelos. Der Augenblick, in dem Petronius sich über die Balkonbrüstung lehnte und mich packte, war einer der besten meines Lebens.
    Wir schauten uns an. Petronius hatte sofort das Blut an meiner Tunika entdeckt, sah aber auch, daß ich keine sichtbaren Wunden aufwies.
    »Wo ist das alte Weib, das du retten wolltest?«
    »Ich hab ihr mein Schwert reingerammt.« Er fragte nicht, warum. Ich denke, er hatte es bereits erraten. »Es war Balbinus.«
    »Das ist das letzte Mal, daß ich mit dir zusammengearbeitet habe. Du hast mir meinen Fall gestohlen!«
    »Du hast was gut bei mir«, gab ich zu.
    »Sag mir, daß er tot ist. Ich will es hören.«
    »Er ist tot«, erwiderte ich und sah es wieder vor mir. Dann mußte ich mich übergeben. Die Vigiles meinten, es läge am

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