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Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
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gewesen, riß er die Arme hoch. Grausen schüttelte den verzweifelten Leib. Hilfesuchend lief der Blick die grauen Wände empor; von den Wänden weg über die grauen uralten Möbel hin; von diesen hinaus in den grauen abgemessenen Himmel; vom Himmel zurück ins eigene Innere, – auch dieses war grau. Dumpf und ohne Strahl senkte sich der Blick auf die Platte des Schreibtisches hinab. Berge von Akten auf ihr. Gestern Abend war sie leer gewesen, – morgen abend mußte sie wieder leer sein. So ging's seit fast elf Jahren! Ohnmächtig begann die Hand zu blättern: Supplik des Kammerhusaren Siebold um allergnädigste Verleihung einer Herberglizenz; wo immer. Befürwortet von Seiner Durchlaucht, dem Prinzen Constantin. Inständige Bitte der Professorswitwe Schultheiß um allergnädigste Gewährung einer huldvollen Gnadengabe: neun Kinder. Einbegleitet vom Koadjutor von Dalberg. Händeringendes Flehen – auf fünf Winkeladvokatenbögen à elf Groschen – der ehemaligen Kammerzofe Ihrer Durchlaucht der Herzogin Witwe um Permeß zur Hochzeit mit ihrer verstorbenen Schwester Gatten unter Verleihung einer herzoglichen Forstgehilfenstelle in Ettersburg; Schrift des Fräuleins von Göchhausen. Wegstreit zwischen der Gemeinde Kaltennordheim und dem Grafen von Werthern-Neunheiligen; mit Visitkarte des Prinzen August von Gotha. Bitte der Schießstandsgesellschaft in Stützerbach um Verleihung des Rechts, in der Vereinsfahne das herzogliche Wappen zu führen.. Rechnungsabschluß des Kammerbauamtes pro 1. Januar bis 1. April 1788. Neukreierung einer Aushilfsdienerstelle am Rentamt in . . . . .
    Donnernd: »Was ist?«
    Barthner, medaillenklirrend, war wieder eingetreten. »Euer Exzellenz wollen sich gnädigst erinnern, daß Seine Durchlaucht . . . .«
    Mitten in den Boden hinab, so, daß es laut aufklatschte und gezüchtigt in seine Blätter zerfiel, ward das Bündel Akten geworfen. »Gib Degen und Hut!«
    Zwei Minuten später stieß unten im Toreingang der angejahrte Kandidat der Theologie Meßmer seinen sehr weltlichen jungen Begleiter, einen Studenten aus Bückeburg, in die Hüften »Das ist er!«
    Salzsäule ward der Studiosus: Der bleiche Geheimerat ging steif, erhaben, Gesicht streng geradeaus gerichtet, Weisung Nordnordost, wie ein wandelnder Stein an ihnen vorbei.
    Ohne jeden Ton kam es endlich aus der stotternden Kehle: »Das ist Goethe?«
    Der Kandidat lächelte vielsagend. Der Herr Geheimerat, rasch nach abwärts schreitend, versank im Dämmer. »Du hast ihn dir anders vorgestellt?«
    Der Junge versuchte sich zu erholen. Aber der Blick gehorchte einfach nicht; wie an einer Schnur gezogen, lief er der Gestalt nach. »Er schaut ja aus wie . . . . . . .«
    » . . . eine Hofschranze! Jawohl!«
    Der Bückeburger begann zu laufen. Der Furor hatte ihn erfaßt. Um alles in der Welt willen mußte er nachrennen. Gierig zog er den Kandidaten hinter sich her. »Wohin geht er nun? Weißt du es?«
    »Ins Fürstenhaus, oder ins Palais, oder zu Frau von Stein. Oder nach Hause. Anderen Weg hat er keinen.« Sie jagten geradezu. Der Abend war tief hereingebrochen. Die Stadt, was man von ihr sah an Pflaster, Hauswänden, Dächern, Gassenbäumen, dunkelte armselig, winkelig, unschön, fast häßlich. Es war einfach nicht auszudenken, daß das Weimar war, an einem Junisonnabend-Abend, der grün, golden und blau über viel unberühmteren Städten lag, und daß der Dichter des Werther genau so aussah wie ein x-beliebiger Staatswürdenträger, dem der Hof ein Lineal in den Leib gesteckt und der Aktenstaub das Gesicht gelbgallig gemacht hatte.
    »Er sitzt den ganzen Tag im Bureau?«
    »Schmiert den ganzen Tag Akten.«
    »Und Herder?«
    »Predigt Sonntags genau wie jeder andere gottselige Pastor.«
    »Und Wieland?«
    »Seine zwei Jüngsten haben eine böse Diarrhöe durchgemacht. Er ist heute auf der Suche nach Milch, die von einer trockenheufressenden Kuh kommt.«
    »Da ist er wieder!« Wie angewurzelt blieb der Fanatische stehen. Atemlos griff er in den Arm des schon Weiseren, Älteren. »O Gott! Er geht wirklich hinein! Er ist – weg!«
    »Das ist das Fürstenhaus!«
    Blöde stierte die dunkle Wand des gestaltlosen Hauses die Zweie an. Im Flur, den eine zittrige Öllampe soviel erleuchtete, daß aus der allgemeinen Finsternis das Pechschwarz der Nischen und das nächtige Loch des Stiegenhauses hervorgähnte, verhallte der Schritt des Entschwindenden.
    »Was tut er nun drin?«
    »Der Herzog wird ihn fragen, ob er ihm nicht

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