Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goethe

Goethe

Titel: Goethe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert von Trentini
Vom Netzwerk:
Bittstellerin; die wird vorgelassen,« schaffte er an, als Götz wiederkam. Setzte sich ans Fenster, in das die Zweige hereinrauschten. Und ward erfaßt. Und entführt. Sogleich. Um zwei Uhr standen über hundert Verse vom Tasso auf den Blättern. So? Es geht also allein auch? Groß, weitoffen schaute das Auge hinab in die Wirbel des Grünen. Wie einen harten Block aus Gold, dem keine Flamme mehr ankann, fühlte er das Herz in der Brust drin. Kalt. Nicht mehr biegsam, erreichbar. Aber sein! Stark stand er auf. »Steht es etwa schon fest, was ich mit dem Miselchen beginne? Ist Tasso nicht auch nur ein Stück Faust, wie: Erde-Untersuchen oder Blätter-Sezieren? Dichtet sich Faust nicht unwillkürlich von selber, indem er alle Stücke seines Lebens dichtet?« Aber, nachdem um vier Uhr auch die nächsten hundert Verse blank aufs Papier geschrieben waren, wandelte ihn unwiderstehlicher Trieb an, in den Garten hinabzusteigen. Zögernd plötzlich, voll geheimer Furcht, schwankte er die Treppe nieder. In der Kühle jenes Raums, in den es von einer Felsenplatte unvergeßlich herabflüsterte: »Hier gedachte der Liebende seiner Geliebten!« fiel ihm eine Träne verschämt aus dem Auge. Der Boden, der sie auffing, seufzte. Der Himmel, der in Fetzen durch die dunkeln Kronen herabblinkte, als er sie gewahrte, seufzte. Efeu, Steine, Fels und Bank, als sie sie glitzern sahen, seufzten. Die Arme wie nach einem entschwebenden Traume ausgebreitet, der bis ans irdische Ende mit himmlischer Weihe, mit Opfern ohnegleichen geträumt worden war, lispelte er gezwungen vor sich hin:
    »Eine Liebe hatt ich, sie war mir lieber als alles!
Aber ich hab sie nicht mehr! – Schweig, und ertrag den Verlust!«
    Aber als er, nach Stunden, zum zweitenmal in den Garten niederkam und wieder in den heiligen Raum trat, zerriß er diese Worte fluchend in Trümmer. »Mama!« stürzte in derselben Sekunde Fritz in Frau von Steins zerbrochenen Salon herein. »Mama, weißt du, wer heute abend bei ihm unten gewesen ist?«
    Aus völlig erloschenen Augen blickte Frau von Stein auf den brennenden Knaben.
    »Er hat mich doch eingeladen für sechse?«
    »Und?« Wie mit der Zange riß Frau von Stein sich das Wort aus der Brust.
    »Man ließ mich nicht vor!« Zitternd glühte der trostlose Blick. »Er habe Besuch. Weißt du, wen?«
    Kein zweites Wort fand Frau von Stein. Sinnlos begann sie zu sticken. Nimmer die Welt allein trug jetzt das Gorgohaupt! Sie selber, die da für ewig zertreten im Fenster saß, war jetzt die Gorgo! »Nein!« stammelte sie endlich.
    »Ich auch nicht. Als Götz heimlich zu tun anfing, kehrte ich um. Dann aber kehrte ich wieder um und kletterte in die Linde hinauf; in die, die vor der Schlafstube steht.« Das Herz schlug ihm bis in den Hals hinauf. Sollte er's sagen, oder nicht sagen? »Ich möchte nämlich wissen,« brachte er endlich feuerrot heraus, »hat er eine Braut, jetzt?«
    Als ob ihr ein Eisenarm den Kopf hinüberrisse, wandte sich Frau von Stein dem Sohne zu. »Wie – so?«
    »Es war ein Frauenzimmer drin. Und «– atemlos bohrte Fritz seinen Blick in den furchtbaren der Mutter – »und sie haben sich schrecklich – abgeküßt.«
    »Wer: sie?« Schneeweiß war Frau von Steins Gesicht. »Wer: sie?«
    »Er und, ich weiß nicht, wer!«
    »Zerrinnt!« befahl da der Mann in dem heiligen Raume zu den Worten, die er knirschend zerrissen hatte. Streckte den Arm gegen sie aus wie gegen ein schneeweißes Gesicht, das nun den wirklichen, den lebendigen Tod litt. Und verzerrt ward sein Antlitz. Verbogen der Mund. Strich auf der braunen, der südlichen Stirne. »Wir wollen vielleicht lieber so sagen:« lachte es.
    »Kennst du die herrliche Wirkung der endlich befriedigten Liebe?
Körper verbindet sie schön, wenn sie die Geister befreit!«
    »Nein!« schrie er gleich darauf rasend, hieb mit den Händen in die verdämmerte Luft, ließ den Kies unter dem sausenden Schritt kreischen. »Auch ihr: zerrinnt!«
    »Exzellenz wollen nicht zu Abend essen?« kam Goetz. Es war neun Uhr.
    »Sperr das Haus ab und lege dich schlafen!«
    »Und wann befehlen,« – so ein Abend war noch nicht vorgekommen, seit Goetz diente! – »geweckt zu werden?«
    »Gar nicht!«
    Ins Haus zurück! Jagdschritt!
    Allein nun? Ganz allein?
    War Erweckung auch nichts Endgültiges? Bedeutete die zweite Geburt nur die Terrasse über dem überwundenen Anstieg der Irrungen, erhob sich über ihr aber wieder eine neue, noch steinichtere Halde? Zu neuer Terrasse?
    Lag einer der

Weitere Kostenlose Bücher