Götter der Lust
Sein Ausweichen hatte ihr Interesse entfacht. «Ich finde Geschichte spannend. Altertümliche Wissenschaften und so.»
«Ich glaube nicht, dass ich dir meine Papiere zeigen werde, wenn du dich doch nur über mich lustig machst.»
Abby runzelte die Stirn. «Dann siehst du auch die Pläne nicht.»
«Ich bin stärker als du.» Er verschränkte die Arme und spannte seinen Bizeps an.
«Du kannst es ja mal versuchen», konterte sie gereizt.
Myles warf einen sehnsüchtigen Blick auf die Röhre mit den Plänen. «Na schön, dann eben die Wahrheit. Hier gibt es keine wissenschaftlichen Arbeiten von mir.»
«Du bist gar kein Wissenschaftler?»
Er atmete tief ein und stieß langsam die Luft wieder aus. «Das Haus gehört mir nicht.»
Sie brauchte einen Augenblick, um das zu verdauen. Dann schreckte sie hoch. «Dann bist du ein Einbrecher?» Wie seltsam, keiner von ihnen beiden schien also hierherzugehören.
«Nein», schnauzte er, doch dann wurde sein Tonfall sanfter. «Nein. Dieses Haus gehörte vor ungefähr zweihundert Jahren meiner Familie. Dann kam der Bürgerkrieg, aber obwohl meine Familie königstreu war und bis heute ist, haben wir auch nach Wiedereinsetzung der Monarchie unser Haus nie zurückbekommen.»
«Und wo sind die Bewohner?» Abby verdrängte ihr Unbehagen darüber, mit einem Mann geschlafen zu haben, den sie im Grunde gar nicht kannte. Zu viele Mutmaßungen führten nur zu Problemen. Vor allem bei einem Mann, der so ungeniert log.
«In London.»
Sie versuchte, ganz lässig zu tun. «Wissen sie, dass du hier bist?»
Myles schüttelte den Kopf. «Wenn sie wegfahren, zahlen sie alle aus, schließen das Haus ab und lassen es in der Obhut eines Hausmeisters.»
Abby lehnte sich mit der Hüfte an den Tisch und musterte ihn. «Nette Geschichte, Mr. Hardy, aber warum sind Sie wirklich hier?»
«In diesem Haus ist etwas, das ich brauche und das von Rechts wegen meiner Familie gehört.» Sein Tonfall war voll beherrschter Leidenschaft. «Und ich habe die Absicht, es wieder in meinen Besitz zu bringen.»
«Du wirkst ja wild entschlossen.» Sie forderte ihn heraus. «Und wonach suchst du?»
«Du scheinst die Sache sehr entspannt zu sehen. Warum wirst du nicht hysterisch?»
«Ich werde nie hysterisch», fauchte sie. Er war ihren Fragen schon wieder ausgewichen. «Aber ich werde stinksauer, wenn du mir nicht endlich die Wahrheit sagst.»
«Welch ungewöhnliche Art, sich auszudrücken», meinte er ironisch. «So wundervoll ungeschliffen.»
Sie warf ihm einen finsteren Blick zu. «Wie lange suchst du diesen Gegenstand schon?»
«Ungefähr eine Woche.» Wenigstens diese Frage schien er ihr bedenkenlos beantworten zu können.
«Und die Überlieferungen deiner Familie sagen nichts darüber aus, wo das Ding versteckt ist?»
«Es gibt ein paar Hinweise … aber unsere Familiengeschichte wurde nie schriftlich fixiert, sondern immer nur mündlich weitergegeben.» Er seufzte. «Meine Großmutter hat sie mir erzählt. Das Problem ist nur, dass sie aufgrund ihres Alters schon reichlich verwirrt ist und ich sie vor einem Monat zum ersten Mal persönlich getroffen habe. Und bei dieser Begegnung hat sie nur unverständliches Zeug von sich gegeben.»
«Das ist bitter», kommentierte Abby ohne jedes Mitgefühl. «Und jetzt glaubst du, dass die Pläne wichtige Hinweise liefern könnten, etwa auf die Lage eines Priesterlochs?»
Myles braune Augen leuchteten auf. «Genau das suche ich. Weißt du, wo es ist?»
«Klar», gurrte Abby mit gespielter Liebenswürdigkeit. «Welches meinst du?»
Ihm blieb vor Erstaunen der Mund offen stehen, und Abby lachte.
Kapitel 3
«Es gibt mehr als eines?» Myles’ tiefe Stimme hob sich plötzlich um ein paar Stufen, und eine jungenhafte Aufgeregtheit leuchtete aus seinen funkelnden Augen. «Zeigst du sie mir?»
Abbys Lippen zuckten, während sie versuchte, ernst dreinzublicken. «Auf den Blaupausen?» Sie spitzte die Lippen. «Wenn du sie mir nicht gestohlen hättest …»
«Nicht gestohlen, sondern nur geliehen.» Sein anziehend jungenhaftes Lächeln wirkte plötzlich ein wenig verzweifelt. «Abby, bitte. Hat dir letzte Nacht etwa nichts bedeutet?»
Das fand Abby jetzt nicht mehr witzig. «Hast du mich etwa nur verführt, um an die Pläne zu kommen?», schrie sie ihn an.
Myles fuhr sich mit der Hand durch sein lockeres braunes Haar. «Ich brauchte dich nicht zu verführen, um an diese Pläne zu kommen. Ich hätte nur warten müssen, bis du eingeschlafen warst. Was
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