Götter der Lust
einem Hinweis auf das verborgene Priesterloch suchte.
«Es muss ja schwer zu finden sein», murmelte Myles mehr zu sich selbst als zu ihr. «Die Protestanten stellten einen Haushalt gründlich auf den Kopf, wenn sie auch nur den leisesten Verdacht hegten, dass sich ein katholischer Priester dort verbarg. Somit wird der Zugang nicht leicht zu finden sein.»
Er griff erst ganz hoch nach oben und tastete sich dann nach unten bis an die Fußleiste des schwarz-weißen Marmorfußbodens.
Er trat einen Schritt zurück und warf finstere Blicke auf die Wand. «Irgendwo hier muss es sein.»
Abby bestätigte das. «Wir haben einen kleinen Schrank für das Kapellenzimmer daraus gemacht.»
Er blickte sie über die Schulter an. «Du hast es die ganze Zeit über gewusst?»
Sie grinste. «Ich sehe es so gern, wenn ein Mann mal richtig arbeitet.»
Mit einem verärgerten Brummen ging er an ihr vorbei in die kleine Kapelle. Abby folgte ihm. Anhand von Spuren in der dicken Staubschicht erkannte sie, dass Myles hier schon gesucht hatte, vor allem im Umfeld des Altars. Sie setzte sich in eine Kirchenbank, legte ihren angewinkelten Arm auf die Lehne der vor ihr liegenden Reihe und schmiegte ihr Kinn in die Ellenbeuge.
«Das hier ist die normale Wand», erklärte Myles. Hier drinnen war Mauerwerk anstelle von Holzvertäfelung zu sehen. Stirnrunzelnd trat er näher und strich mit den Fingern darüber. Dann klopfte er an einen Steinblock.
«Hohl», triumphierte er. «Das ist kein Mauerwerk, sondern Holz, das so behandelt wurde, dass es wie Mauerwerk aussieht. Sie haben sogar Sand hinzugefügt, um es echt aussehen zu lassen.» Er blickte über die Schulter zu ihr. «Ich nehme an, du weißt, wo es ist?»
Sie warf resignierend die Arme hoch. «Ich habe nur ein Foto gesehen. Ich könnte dir sagen, wo es ist, wenn ich wüsste, wo das Bett steht, aber das gibt es ja in der Kapelle momentan noch nicht.»
Myles Lippen zuckten. «Richtig.» Er wandte sich wieder der Wand zu. «Dann muss ich es wohl selber herausfinden.»
Er kniete sich auf den Boden, untersuchte die Holzdielen und zog eine Linie vom Boden zur falschen Täfelung. Ganz unten, wo später die Scheuerleiste sein würde, drückte Myles gegen einen kleinen Stein.
Die hüfthohe Geheimtür öffnete sich und gab den Blick auf einen finsteren Hohlraum frei. Myles duckte sich, trat ein und blickte zurück. «Kommst du?»
Abby folgte ihm fasziniert. «Hast du deinen Gegenstand gefunden?» Sie linste über seine Schulter in den kleinen Raum.
«Er liegt sicher nicht offen herum. Durfte er auch nicht, denn sonst hätten die katholischen Priester, die dort versteckt wurden, ihn gefunden und vernichtet.»
«Und wenn ihnen irgendwann beim Warten auf den Abzug der Puritaner langweilig wurde?» Abby trat in die kleine Kammer und prüfte die raue Backsteinmauer im düsteren Licht. «Ein paar von diesen Ziegelsteinen sind locker.» Sie schaute über die Schulter zu ihm zurück, verwundert darüber, wie nah er war.
Er lächelte zu ihr hinab – ein ungezwungenes, träges Lächeln, das ihr Herz schneller schlagen ließ. Sie starrte zu ihm auf, fasziniert von seiner puren Männlichkeit. Kein Mann hatte je so auf sie gewirkt. Sie vergaß beinahe zu atmen.
«Wir können ja mal nachsehen», meinte er. «Auch wenn ein Priester damals nichts weiter tun konnte, als lautlos zu beten, bis die Familie ihn wieder herausholte. Hätte er Ziegelsteine gelockert, wäre der Lärm für ihn höchstwahrscheinlich tödlich gewesen.»
Abby griff trotzdem nach den Ziegeln. Der rote Ton bröckelte zwischen ihren Fingern, doch auch wenn kaum Mörtel ihn zu halten schien, widerstand der erste Stein ihren Versuchen, ihn herauszuziehen.
«Lass das mal einen Mann machen.» Myles versuchte, sie beiseitezuschieben, aber sie wich nicht von der Stelle.
«Du bist unglaublich sexistisch.» Abby versuchte es mit einem anderen Mauerstein.
«Männer sind nun mal stärker als Frauen.» Er milderte seine Worte mit einem Lächeln ab, doch das änderte nichts daran, dass er seine Behauptung für eine unumstößliche Tatsache hielt.
«Das gilt nicht für alle Männer und auch nicht für alle Frauen», widersprach sie und schnitt eine Grimasse.
Myles beugte sich zu ihr hinab. «Aber für diese Frau und diesen Mann.»
Das konnte sie nicht bestreiten. Sie wollte gerade den Mund öffnen und Luft holen, um etwas zu erwidern, als sich seine Lippen auf ihre senkten. Trotz seiner Behauptung, der Stärkere zu sein, war sein Kuss sehr
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