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Goetterdaemmerung - Roman

Goetterdaemmerung - Roman

Titel: Goetterdaemmerung - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: El mir Bourges
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wieder genoss sie es, sich über die Welfen zu verbreiten, deren Erbfolge sie genau kannte, ebenso wie das Wirrwarr der vielen verschiedenen Familienzweige, deren Tugenden und denkwürdige Taten. Sie war ein außergewöhnliches kleines Mädchen, eine Art bezaubernde Missgeburt, wie sie der Niedergang der Adelsgeschlechter hervorbringt, ein Feingeist mit schwächlichem Körper, zugleich hochmütig und zärtlich gegenüber ihren Lieben! Aus der Tiefe ihres Bettes streckte sie ihre sterbenden Arme der Italienerin entgegen, wünschte diese ununterbrochen neben ihrem Krankenlager, küsste sie, nannte sie ganz leise « mamaccia , meine kleine Mama», doch zugleich litt sie darunter, dass der alte Doktor Ferney sie duzte. Und als es ihr später besser ging und die Vertrauten des Herzogs sie nach und nach beglückwünschen wollten, verzieh Claribel dem Grafen von Oels nicht, dass er einen Tag länger gewartet hatte. Sobald er dann vorstellig wurde, drehte sie sich zur Wand und nahm seine Artigkeiten wortlos entgegen. Als Emilia sie eine Stunde später wegen ihres Verhaltens tadelte, erwiderte die kleine Gräfin: «Weshalb hat er mich dann nicht besucht, als es sich geziemte, bin ich nicht die Tochter seines Gebieters?».
    Da ihre Anfälle ein wenig nachließen, erlaubten die Ärzte, dass man sie aufstehen ließe, doch nur, um das Bett gegen eine Art riesigen, mit grüngoldenem Satin ausgelegten Alkoven einzutauschen. Dort blieb sie den ganzen Tag lang verborgen, versunken in einen Haufen Spitzen und englische Klöppelarbeiten, ganz bleich verweilte sie im entlegensten Teil dieser Kapelle, mit ihrem seltsamen blassgoldenen über ihrem Köpfchen aufgetürmten Haar.
    Langweilig wurde ihr allerdings nicht; die Besucher kamen zahlreich. Gleich nach dem Aufstehen und der Morgentoilette erschien der Herzog, trug aber schon seine Uniform, war frisiert, geschminkt und verjüngt: Er unterhielt sich damit, seine Späßchen zu treiben, spielte mit ihr das Olivenspiel oder Morra 49 , wobei er sich sein Geld aus der Tasche ziehen ließ, und beschenkte Claribel gewöhnlich mit einem Schmuckpräsent, Schleckereien oder herrlichem Spielzeug. Oft nahm er sie bei der Hand und drehte mit ihr ein paar Runden durchs Zimmer. Das Kindchen war so winzig, so ungleich neben seinem großen und stämmigen Vater, dass es schien, als sei es aus seiner Tasche geklettert. Diese Besuche erfüllten Claribel mit Stolz und sie entfaltete dabei ihre gesamte Liebenswürdigkeit, wenngleich sie sich ausnehmend vor den starken Parfüms fürchtete, die den Herzog umgaben. An manchen Tagen erbleichte sie und fühlte sich einer Ohnmacht nahe, doch wäre sie lieber gestorben als unpässlich zu wirken und sich auch nur die geringste Klage zu erlauben.
    Graf Hans Ulrich und Christiane kamen ebenfalls am Nachmittag herab, mit seiner nymphenhaften Schwerelosigkeit belebte das charmante Mädchen alles, dachte sich hunderterlei Zerstreuungen aus und drängte Claribel mitzumachen. Nun holte man die prachtvollen Spielsachen der Kleinen aus den Schränken: Puppen, Hampelmänner, Kasperlefiguren, Jagdnachbauten mit Tannendekor, mehrere Nachbildungen der Arche Noah, wahre Meisterwerke, geschnitzt von Wolfenbüttels Bergbewohnern, sodann wunderbare Automaten, pirouettierende Tänzerinnen, vergoldete Wagen, deren Pferde tatsächlich laufen konnten, und Elefanten, die ihren Rüssel hoben; aber die kleine Comtesse betrachtete sie allesamt missfällig und verlangte fast immer nach Micke. Sie war der Liebling des Kindes, eine armselige hässliche Puppe, die ihr eine Bäuerin geschenkt hatte, als Claribel einmal durch die Straße gegangen war. Sie nahm ihre Freundin in die Arme, streckte sich aus und schloss die Lider, wobei sie hin und wieder leise zu ihr sprach und Christianes Ermunterungen mit einem traurigen Lächeln erwiderte.
    Doch keiner ließ sich so eifrig bei der Kranken blicken wie der verliebte Graf Franz. Wie das manchmal vorkommt, hatte sich nach anfänglichem Vortäuschen eine echte Leidenschaft entwickelt, und diese wurde durch Emilias geschicktes Taktieren schnell auf die Spitze getrieben. Der junge Mann ritt nicht mehr aus; er vergaß, nach dem Mittagessen Walzer von Strauss nur für sich selbst zu spielen, und während seiner Besuche bei Claribel nahm sein munteres Gesicht sogar einen Ausdruck rührenden Liebessehnens an. Da verzehrte er sich dann in Seufzern, Beäugeln und langem Schweigen, saß unbeweglich dort, strich mit seiner schönen Hand über die in den

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