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Götterfall

Götterfall

Titel: Götterfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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nicht schlecht aus.
    Der passende Gedanke, fand Wencke, als sie jetzt Tilda Kosian auf sich zukommen sah. Schlank, langbeinig, adretter Dutt  – also in etwa das Gegenteil von Wencke, die sich vom Steinsockel erhob und trotzdem einen Kopf kleiner als ihre Chefin war.
    »Entschuldigen Sie die Verspätung«, sagte die Kosian, es klang mehr nach einem Befehl als nach höflicher Bitte. Währenddessen zog sie schon einen Umschlag aus ihrer Aktentasche. »Flugticket, Hotelvoucher, Reisebeschreibung, Teilnehmerliste – es müsste alles drin sein. Glücklicherweise hatte ich die Unterlagen in meinem Auto gelassen, sonst stünde ich jetzt mit leeren Händen vor Ihnen.«
    »Es tut mir leid mit dem Brand. Haben die Ermittlungen inzwischen etwas Neues ergeben?«
    »Alles Dilettanten.« Sie stieß die Luft aus, das tat sie für gewöhnlich, wenn sie eigentlich Lust hatte, jemandem den Kopf abzureißen. »Sie kriechen in jeden Winkel meiner Wohnung und untersuchen, was die Flammen übrig gelassen haben. Was nicht wirklich viel ist. Aber gebracht hat das ganze Procedere noch immer nichts. Wenn unsere Abteilung im LKA so arbeiten würde, na dann gute Nacht.«
    »Wo lag denn der Brandherd?«
    »Am Hauptverteiler im Keller. Deswegen reden sie auch immer noch von Kabelbrand. Ich bin da eher skeptisch.«
    Kein Wunder, die Kosian war immer skeptisch, es sei denn, sie selbst saß am Hebel.
    »Ich habe noch ein paar Fragen zu diesem Symposium, das ich in Island für Sie übernehme.« Das stimmte nicht ganz. Wencke wollte das Gespräch am Laufen halten, um hinterher,so gegen Ende, irgendwie auf Frank-Peter Götze zu kommen. Vielleicht bekam sie es hin, dass die Kosian ihr ganz offiziell eine Erlaubnis erteilte, noch mal Einsicht in die wahrscheinlich fast zu Staub zerfallene Polizeiakte zu nehmen.
    »Das ist jetzt ganz ungünstig.« Die Kosian schaute auf ihre Armbanduhr. »Ich bin nämlich gerade auf dem Weg zu meiner Versicherung. Wegen des Brandschadens. Die werden ordentlich bluten müssen, Sitzecke und Küche hatte ich nagelneu maßanfertigen lassen.«
    »Wir könnten einen schnellen Kaffee trinken.« Wencke zeigte auf eines der angesagtesten Stehcafés der Stadt, gebürsteter Chrom, indirekte Beleuchtung und lauter Frauen von Kosians Kaliber, die ihre Latte macchiatos schlürften.
    Überraschenderweise nickte ihre Chefin. »Warum nicht. Ich könnte etwas gepflegtes Koffein gebrauchen, bevor ich mit den Sachbearbeitern über Schadensersatz streite.«
    Beinahe erschlagen vom Angebot an verschiedenen Bohnensorten und Röstmethoden entschied Wencke sich sicherheitshalber für ein Glas stilles Mineralwasser, während die Kosian zielstrebig bestellte: Klein, stark, schwarz, ohne Zucker, bitte die Tasse vorwärmen! Nachdem sie die Kaffeebar-Angestellte ausreichend instruiert hatte, wendete sie sich an Wencke. »Und? Was gibt’s?«
    »Wenn ich das richtig verstanden habe, sind verschiedene europäische Behörden nach Island eingeladen worden, um über gemeinsame Wurzeln und neue Ideen zu diskutieren und sich nebenbei das Land zeigen zu lassen. Was erwarten die von uns?«
    »Ich hatte eigentlich vor, einen kurzen Fachvortrag über die wichtige Arbeit bei der Operativen Fallanalyse zu halten. Aus dem Stegreif. Ist Ihnen das zu spontan?«
    Zimtzicke! »Na ja, das Ministerium möchte, dass wir uns gut präsentieren …«
    Tilda Kosians Handy klingelte, sie fand es sofort in der Handtasche und kanzelte ihren Gesprächspartner mit wenigen harten Worten ab. Keine Zeit, keine Zeit!
    Wencke nutzte die Gelegenheit und schaute die Reiseunterlagen durch. Der Flug ging morgen Abend ab Münster-Osnabrück, untergebracht war sie in einem Hotel mit unaussprechlichem Namen.
    Die Kosian beobachtete sie und nippte dabei an ihrem Espresso. »Es ist inzwischen alles auf Ihren Namen umgebucht. Die neuen Flugtickets liegen am Check-in-Schalter für Sie bereit.«
    Um die Unterlagen wegstecken zu können, legte Wencke das Island-Buch auf den runden Stehtisch. Die Kosian griff danach und las den Titel laut: »Das Weltbild nordgermanischer Mythen«. Sie schnalzte mit der Zunge. »Ich sehe, Sie bereiten sich tatsächlich ein bisschen auf Ihre Reise vor.«
    Wencke konnte nicht so recht verstehen, warum die Kosian sich so begeistert auf das Buch stürzte, fast liebevoll strich sie über das große, goldschimmernde Titelbild: ein gewaltiger Baum, dessen Krone und Wurzeln sich am Buchrand trafen und einen runden Kreis bildeten.
    »Yggdrasil«, wusste die Kosian

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