Götterfluch 2 - Die dunkle Priesterin
verschlüsselten Inhalts.
Auf die anfängliche Enttäuschung folgte der entschlossene Wille, das Geheimnis zu lüften.
»Der Empfänger dieser Gegenstände beherrschte die Hieroglyphenschrift«, fiel Kel ein. »Vielleicht müssen wir die Zeichen in einer anderen Richtung lesen.«
Auch das war vergebene Mühe.
Abwechselnd versuchten Nitis und Kel verschiedene Entschlüsselungsmuster anzuwenden, aber alles ohne Erfolg.
»Wir müssen einen anderen Lösungsweg suchen«, meinte die Priesterin. »Vielleicht ist das Geheimnis in den Zeichen selbst versteckt?«
Bebon und Kel beleuchteten die Gefäße mit Fackeln. Das Licht ließ die Hieroglyphen reliefartig hervortreten.
»Seht doch! Das erste Zeichen für Imset und das erste für Hapi, I und H, sind viel tiefer eingegraben als die anderen Hieroglyphen.«
»IH, soll das eine Anspielung auf das Sistrum der Gottheiten sein?«, fragte der Schreiber.
»Bei den Namen der beiden anderen Gottheiten sind die Anfangszeichen nicht hervorgehoben«, stellte die Priesterin fest. »Aber ihre Bedeutung ist auch so sehr aufschlussreich. Duamutef ist der, ›Der seine Mutter verehrt‹, also Isis-Hathor; diese verkörpert die Gottesdienerin, deren wichtigstes Ritual darin besteht, die Sistren zu bedienen, um das Böse zu vertreiben.«
»Und was bedeutet Kebechsenuef?«, fragte Bebon beeindruckt.
»Er ist der, ›Der seinen Bruder neu belebt‹ – den auferstandenen Osiris mit dem Wasser des Himmels.«
»Irgendwie kommen wir nicht weiter«, jammerte der Schauspieler.
»Im Gegenteil! Wenn wir unsere Erkenntnisse der Gottesdienerin mitteilen, kann sie uns bestimmt den letzten Schlüssel geben: Entweder ist es ihr Sistrum oder das belebende Wasser des heiligen Sees. Jetzt haben wir nur noch eine letzte Wegstrecke vor uns, ehe wir die Wahrheit erfahren.«
»Nur dass dieser Weg leider ungangbar ist«, meinte Bebon. »Richter Gem hat Karnak in den Belagerungszustand versetzt. Ganz offensichtlich will er die Gottesdienerin, auch wenn sie im Sterben liegen sollte, von der Außenwelt abschneiden und verhindern, dass sie uns hilft.«
»Ich weiß eine Lösung!«, rief Kel.
Der Schauspieler biss sich auf die Unterlippe. Da war wieder Schlimmstes zu befürchten.
Und Bebon wurde nicht enttäuscht. Das Vorhaben des Schreibers grenzte an den reinen Wahnsinn.
»Bleibt nur noch eine Schwierigkeit«, schloss er, »wie erfährt Chechonq davon?«
»Da führt kein Weg hin.«
»Du bist die Lösung«, sagte Nitis.
»Nein, ich werde nicht versuchen, durch die Sperren zu kommen«, widersprach Bebon.
»Sollst du auch nicht. Aber deiner Freundin Aurora müsste das doch gelingen.«
Sich mit einer hübschen Frau zu treffen, bedeutete für Bebon immer ein Vergnügen. Sie würden in angenehmen Erinnerungen schwelgen und den Augenblick genießen; alles Weitere blieb der Bienenzüchterin überlassen.
Allmählich verließ Richter Gem der Mut.
Wieder musste er ein gutes Dutzend Gerüchte und Anschuldigungen überprüfen lassen. Hunderte von Thebanern hatten bereits den Schreiber Kel und seine Helfershelfer gesehen, deren Zahl je nach Zeugenaussage stark schwankte. Und keine einzige Überprüfung hatte etwas ergeben.
Man machte sich über ihn lustig. Auf Anraten des Haushofmeisters hatte sich die ganze Stadt gegen den Vertreter des Pharaos verbündet und hinderte ihn so daran, seinen Auftrag zu einem guten Ende zu bringen. Es hatte aber überhaupt keinen Sinn, Chechonq selbst deswegen anzugehen. Die Thebaner verehrten ihre Gottesdienerin und bewunderten deren Minister.
Dass Bebon ein Spitzel im Dienst von Henat war, der Kels Vorhaben ausspähen sollte? Leider äußerst unwahrscheinlich. Dann hätte er den Schreiber schon längst verraten und dafür eine schöne Belohnung eingesteckt.
Der Richter befand sich auf feindlichem Gelände und war trotz seines Großaufgebots an Soldaten und Ordnungshütern machtlos – manchmal überkam ihn eine Art Schwindel. Ohne Kels Schuld zu bezweifeln, fragte er sich, ob man den Schreiber vielleicht nur benutzt hatte. Die verschlüsselten Schriften, die er in der Hand hatte, blieben für ihn stumm, und einige Erklärungen fehlten noch.
Ob diese heimliche Macht auch ihn benutzte? Unwahrscheinlich! Die Hitze, die Erschöpfung und die vielen Fehlschläge trugen die Schuld an diesen Abschweifungen, die eines Oberrichters unwürdig waren.
Gem machte sich wieder an die Arbeit und las noch einmal die Aufstellung mit den Namen der Besucher des Haushofmeisters durch –
Weitere Kostenlose Bücher