Götterfluch 2 - Die dunkle Priesterin
mein Lieber!«
Der Schauspieler ließ sich nicht lange bitten. Aber seine Miene blieb ernst.
»Was ist denn mit dir los?«, fragte sie ihn. »Du bist ja so nachdenklich.«
»Memphis ist ein gefährliches Pflaster geworden.«
»Warum, was ist dir zugestoßen?«
»Mir nichts. Aber dein Küchenmädchen hat mir erzählt, dass eine junge Frau entführt wurde.«
»Wo denn?«
»Im Hafen.«
»Das glaube ich nicht!«
»Frag sie doch selbst. Die Leute reden nur noch über dieses schreckliche Ereignis, aber die Wachtruppen scheinen sich nicht darum zu scheren. Das ist doch wirklich äußerst beunruhigend. Also ich hab es lieber ruhig und sicher.«
»Mein Haus ist vollkommen sicher«, säuselte Honigmund.
»Mag sein, aber ich bin so gern zum Hafen gegangen, um den Leuten auf den kleinen Märkten vor den Schiffen bei ihren Geschäften zuzuschauen.«
Weil die Bäckerin Angst bekam, ihr Liebhaber könnte überstürzt abreisen, ergriff sie die Initiative.
»Memphis ist meine Stadt«, erklärte sie, »und ich weiß alles, was sich hier abspielt. Ich werde die Wahrheit sehr schnell erfahren, und dann kannst du wieder unbesorgt sein. Du glaubst gar nicht, was es alles für Gerüchte gibt! Lass uns inzwischen etwas essen.«
3
K el wohnte im Stall, zusammen mit Nordwind, einem klugen und kräftigen Esel. Seine Artgenossen hatten ihn sofort als Anführer akzeptiert und ihm den besten Platz überlassen.
Seit die Priesterin Nitis verschwunden war, die Frau, die er liebte und mit der er bis ans Ende seines Lebens zusammen sein wollte, konnte der junge Schreiber nicht mehr schlafen. Ständig quälten ihn die Fragen, wer sie entführt hatte und ob sie überhaupt noch am Leben war.
Außer sich vor Angst dachte Kel kaum noch an seine eigenen Sorgen.
Man beschuldigte ihn fälschlich, seine Kameraden aus dem Übersetzeramt und seinen angeblichen Helfershelfer, den Griechen Demos, ermordet zu haben; und er wurde verdächtigt, eine Verschwörung gegen König Amasis angezettelt zu haben. Deshalb hätte er sich eigentlich sofort auf den Weg nach Theben machen und die Gottesdienerin um Unterstützung anflehen müssen, weil sie die Einzige war, die ihm noch helfen konnte – falls sie ihm Glauben schenkte.
Aber er würde Nitis auf keinen Fall im Stich lassen.
Hier in Memphis musste er ihre Spur finden, und niemand würde ihn dann daran hindern können, sie zu befreien.
Nordwind leckte Kel zärtlich über die Backe. Aus dem äußerst begabten Schreiber mit Aussicht auf hohe Ämter war ein schlecht rasierter, vorzeitig gealterter Mann geworden.
Die Aufmerksamkeit des Esels tröstete ihn ein wenig. Er musste an den verschlüsselten Papyrus denken, die Ursache für all sein Unglück, dessen zweiter Teil noch immer nicht entziffert werden konnte. Weil nur die Ahnen den Schlüssel besaßen, wie eine Stimme aus dem Jenseits gesagt hatte. Aber wo waren diese Ahnen?
Vielleicht kannte die Gottesdienerin ja die Antwort auf diese Frage … Eine Schrift, die Kel in einer Kapelle aus der Zeit der Pyramiden gefunden hatte, besagte, dass Verschwörer die überlieferten Werte ablehnten, die Machtverhältnisse ändern und den Fortschritt begünstigen wollten. Und das letzte Hindernis, das auf diesem Weg auszuräumen blieb, war eben die Gottesdienerin, die Hohepriesterin, die über Theben und die Einhaltung der alten Rituale herrschte.
Doch leider war es unmöglich, die Namen der Verschwörer zu entziffern und Genaueres über ihre Pläne zu erfahren. Sicher war nur, dass diese Mörderbande sich einen jungen, eben erst im Übersetzeramt angestellten Schreiber als Sündenbock ausgesucht hatte, um diese schrecklichen Verbrechen unerkannt begehen zu können. Allerdings hatten sie nicht mit dessen hartnäckigem Widerstand und seiner Entschlossenheit gerechnet, der Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen.
Die Liebe zu Nitis hatte Kel neue Kräfte verliehen, und dank seiner unerschütterlichen Freundschaft mit Bebon war er immer wieder seinen Verfolgern entkommen. Ungerechtigkeit, Bestechung, verbrecherische Verschwörung – konnten sie drei, Nitis, Kel und Bebon, wirklich dieses Grauen besiegen?
Das Verschwinden der jungen Priesterin hatte ihre schwachen Hoffnungen zunichte gemacht.
Nordwind stellte seine Ohren auf, blieb aber still. Das hieß, wer da kam, stellte keine Bedrohung dar.
»Jetzt gibt's Abendessen!«, verkündete Bebon.
»Ich habe keinen Hunger.«
»Also – ich hätte da Linsensuppe und einen Zwiebel-Lauchbrei, fein abgeschmeckt mit
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