Götterfluch 2 - Die dunkle Priesterin
letzte Unterstützung; dann ist er ganz auf sich allein gestellt und eine leichte Beute.«
Die Verschwörer waren entsetzt von der Grausamkeit ihres Anführers. Sie begriffen auf einmal, dass jetzt keiner mehr aussteigen konnte und dass sie alle bis zum Ende dabeibleiben mussten.
»Ich fürchte, der Schreiber versucht, nach Theben zu gelangen und die Gottesdienerin für seine Sache zu gewinnen – unsere ärgste Feindin«, meinte der Ängstliche. »Ich glaube, dass er Memphis verlassen hat.«
»Und wenn schon, das stört uns nicht«, entgegnete der Anführer. »Landwege und Nil werden strengstens überwacht, und wir können ihm noch genügend Fallen stellen.«
»Wir wissen doch alle längst, wie geschickt dieser Kel ist!«
»Er kommt auf keinen Fall bis nach Theben. Und selbst wenn es ihm wie durch ein Wunder doch gelänge, würde er niemals zur Gottesdienerin vorgelassen. Ich habe die erforderlichen Maßnahmen getroffen.«
Diesmal wagte einer der Verschwörer den Widerspruch.
»Wir haben schon einmal von einem schrecklichen Vorhaben gesprochen, in dem es um die Herrin von Theben geht. Und ich erkläre hiermit in aller Deutlichkeit, dass ich dagegen bin!«
Der Anführer lächelte nur.
»Glaubst du etwa, dass man sie ewig verschont? Mach dir keine Sorgen, wahrscheinlich müssen wir sie ja gar nicht beseitigen, weil der Schreiber Kel keine Gelegenheit finden wird, sie von seiner Unschuld zu überzeugen. Aber was auch immer geschieht, niemand darf sich unserem Erfolg in den Weg stellen. Ich wiederhole: niemand.«
Alle schwiegen lange, bis sich doch noch einer zu Wort meldete.
»Der Helm von Pharao Amasis ist nach wie vor unauffindbar. Wäre es nicht möglich, dass Kel den Helm in Verwahrung hat und hofft, er könnte ihn eines Tages aufsetzen und sich von seinen Anhängern zum neuen Pharao erklären lassen?«
»Was für ein lächerlicher Gedanke«, sagte der Anführer. »Kümmert euch nicht um diese Kleinigkeiten. Wir haben die Lage im Griff, und sie wird sich weiterhin zu unseren Gunsten entwickeln, vorausgesetzt, wir setzen unsere Anstrengungen fort und bewahren auch in Zukunft vollkommenes Stillschweigen.«
5
M enk, der die großen Feste in Sais, der Hauptstadt dieser prächtigen Herrscherdynastie, veranstaltete, verging fast vor Sorge. Sonst stets entgegenkommend und leutselig, machte er jetzt eine düstere Miene. Dennoch erledigte er den Auftrag, den er vom Pharao erhalten hatte, zu dessen größter Zufriedenheit: Er sollte dafür sorgen, dass die großen Ritualfeiern in Memphis in Zusammenarbeit mit den Priestern von Ptah und Hathor seinen Vorstellungen gemäß stattfanden. Menk begegnete den Priestern voller Hochachtung, fand immer die richtigen Worte und gewann ihre Zuneigung. Gemeinsam setzten sie alles daran, die Götter und den Herrscher zufriedenzustellen. Mancher prophezeite ihm eine baldige Beförderung.
Unter anderen Umständen hätte dieser berufliche Erfolg Menk sehr glücklich gemacht. Aber das Verschwinden der bezaubernden Nitis, einer Priesterin, in die er sich verliebt hatte, und die er unbedingt heiraten wollte, verdarb ihm das Vergnügen.
Zwar hatte ihm die junge Frau noch nicht ihre Zustimmung gegeben, aber das dürfte nur eine Frage der Zeit sein. Früher oder später musste sie einsehen, dass sie einen Ehemann wie Menk nicht ablehnen konnte. Die Unabhängigkeit und Entscheidungsfreiheit der Ägypterinnen führte doch gelegentlich zu ernsten Schwierigkeiten. Da hatten es die Griechen einfacher – bei ihnen hatten die Männer das Sagen.
Klug und gebildet wie sie war, sollte Nitis die Nachfolge ihres verstorbenen Meisters antreten und Hohepriesterin des Neith-Tempels in Sais werden. Aber Nitis hatte kein einfaches Wesen. Und der Herrscher entschied sich gegen sie und für einen nichtssagenden Höfling – wahrscheinlich wegen des unbesonnenen Handelns der schönen Ritualistin. Schließlich wurde sie verdächtigt, an die Unschuld des Schreibers Kel geglaubt zu haben, dieses Ungeheuers, das zahlreicher Verbrechen beschuldigt wurde.
Auf ihren Wunsch hin hatte Menk es gewagt, dem König von einem angeblichen Waffenhandel zu erzählen – eine Lügengeschichte, mit der die Unschuld des Mörders bewiesen werden sollte. Damit hätte er beinahe seine erfolgreiche Laufbahn als Höfling aufs Spiel gesetzt, was er aber der allzu leichtgläubigen Nitis nicht zum Vorwurf machen wollte. Eines Besseren belehrt, würde sie diesen gefährlichen Mörder nie wieder sehen oder ihn gar
Weitere Kostenlose Bücher