Goettin der Legenden
vollkommen auf all die Dinge konzentriert, die sie nicht gelebt hatte. Wie hatte sie ihre Wünsche vergessen können, so vieles, was sie sich vorgenommen, was sie vom Leben gewollt hatte? Am schlimmsten war, dass sie nie ihre große Liebe gefunden hatte. Sex? Den hatte sie gehabt. Sie hatte sich von Männern körperlich angezogen gefühlt. Aber dieses schwer fassbare Ding, das man wahre Liebe nannte, war ihr verwehrt geblieben. Sie hatte nie einen Mann angesehen und mit absoluter Sicherheit gewusst, dass sie füreinander bestimmt waren.
Es standen noch viele andere Dinge auf ihrer Liste, aber das Gefühl, absolut und vorbehaltlos zu lieben, hätte sie wirklich besonders gern erlebt.
Sollte, hätte, wäre
.
Und dann fühlte sie sich auf einmal wieder lebendig. Und sie wusste ohne den Hauch eines Zweifels, dass sie irgendwie, aus irgendeinem Grund eine zweite Chance bekommen hatte.
3
»Es wäre wirklich gut, wenn du jetzt aufwachst, Isabel.«
»Nur noch ein Stündchen«, murmelte Isabel verschlafen.
»Ich verstehe ja, dass du dich ausruhen möchtest, du hast schließlich eine lange Reise hinter dir«, sagte Viviane und rüttelte Isabel sanft an der Schulter.
Du bist meine Hoffnung
. »Aber wir müssen umgehend mit dieser Mission beginnen. Ich brauche meinen Merlin.«
Als ihre neue Hoffnung nur weiter stöhnte und »Kaffee« murmelte, wurde Viviane doch ärgerlich. »Jetzt bewege endlich deinen faulen … Körper aus dem Bett, los! Ohne mich würdest du nicht unter der Decke liegen und Ansprüche stellen. Einen Schoko-Cappuccino mit doppelt Sahne vielleicht, ja?«
Sofort richtete sich die Frau auf, die Vivianes Hoffnung war, und strich sich die üppigen goldfarbenen Locken aus dem Gesicht. »O ja, bitte, das wäre schön. Wo bin ich eigentlich? Haben Sie mich gerettet? Ganz herzlichen Dank. Ich habe mir so viele Gedanken darum gemacht, da war so viel ›sollte‹ …«
»… ›hätte, wäre‹, ja, das ist mir schon klar.« Viviane schnippte mit den Fingern, und aus dem Nebeldunst erschien ein großer silberner Kaffeebecher. »Trink zuerst, dann unterhalten wir uns.«
Die schöne Menschenfrau starrte sie an, nahm den Becher entgegen und nippte vorsichtig daran. »Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll«, sagte sie und spähte dann überrascht in die Tasse. »Das ist der beste Kaffee, den ich je getrunken habe. Wie haben Sie …?«
»Wenn man deine Zeit besucht, lernt man das ziemlich schnell.«
»Meine Zeit?«
»Wie gesagt – wir haben viel zu besprechen.«
Isabel wusste, dass sie entweder im Himmel war, weil der Kaffee ganz eindeutig dafür sprach, oder in der Hölle, weil die Frau ihr gegenüber so schön war, dass sie eigentlich ein gut verkleideter Teufel sein musste.
In Sachen Himmel und Hölle war sie absolut keine Expertin, aber sie wusste, wenn sie einen guten Kaffee in der Tasse hatte. Und er machte sie auch ziemlich schnell wach, was ein deutliches Anzeichen dafür war, dass es sich nicht um die koffeinfreie Variante handelte.
Neugierig blickte sie sich um. Zwar saß sie am Ufer eines Sees, aber es war definitiv nicht der Grand Lake. Flora und Fauna waren irgendwie anders, und auch der Nebel, der über dem Wasser hing, schimmerte auf eine Art, die sie noch nie dort erlebt hatte. Ganz zu schweigen davon, dass es keine Strommasten gab und auch sonst, so weit das Auge reichte, keinerlei Indizien für Zivilisation.
Und dann merkte sie plötzlich, wie ungewohnt sie angezogen war – das waren ganz sicher nicht die Sachen, die sie bei ihrem Sturz in den Grand Lake getragen hatte! Sie trug jetzt ein jadegrünes Gewand mit langen Ärmeln, die zu den Handgelenken hin weiter wurden. Das Oberteil war quadratisch geschnitten und zeigte wesentlich mehr Dekolleté, als Isabel es sich normalerweise gestattete. Ein wunderschönes Kleid, das sicher auf jedem roten Teppich Furore gemacht hätte, aber ganz und gar nicht Isabels Stil.
»Was geht hier vor?«, fragte sie. »Wo bin ich, wie bin ich hierhergekommen, und wer, zur Hölle, sind Sie?«
Die Frau lächelte, schnippte erneut mit den Fingern, und vor Isabels erstaunten Augen füllte sich der silberne Kaffeebecher ein zweites Mal mit dem köstlich duftenden Kaffee.
»Ich versichere dir, dass wir, du und ich, nicht in der Hölle sind.«
»Aber wo bin ich dann? Und warum habe ich Sie noch nie fotografiert? Dabei sind Sie die schönste Frau, die ich jemals gesehen habe. Und ich kenne mich aus in der Branche.« Sie nippte an ihrem
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