Göttin der Rosen
Assoziation ist. Rosen und Blut haben einiges gemeinsam, und das ist in Wahrheit wirklich erstaunlich.«
Mikki atmete tief ein.
»Woher wissen Sie so viel über Rosen und Blut?«, platzte sie dann heraus.
Das Lächeln der alten Frau war unergründlich.
»Hier bin ich wieder.« Mit einem Tablett voller steriler Instrumente eilte die Krankenschwester herein, und hinter ihr erschien eine Ärztin, die Mikki als einen der Neuzugänge erkannte. »Doktor Mason wird sich gut um Sie kümmern.«
Die Ärztin warf Mikki einen Seitenblick zu. »Sind Sie mit der Patientin verwandt?«
»Nein, ich bin Jill Carters Assistentin.«
»Dann muss ich Sie bitten zu gehen.«
Mikki nickte und sah Sevillana entschuldigend an. »Ich muss mich verabschieden. Aber es hat mich wirklich sehr gefreut, Sie kennenzulernen, Signora.«
»Warten Sie einen Moment, meine Liebe.« Sevillana griff nach ihrer Tasche, die neben der Untersuchungsliege lag.
»Ma’am, wenn sie nicht mit Ihnen verwandt ist, muss sie jetzt wirklich gehen«, mahnte Dr. Mason.
»Das verstehe ich schon, junge Dame. Ich bitte Sie nicht, dass sie hierbleibt. Ich möchte ihr nur etwas geben«, entgegnete Sevillana im Ton einer Mutter, die ein unartiges Kind zurechtweist.
Bevor die Ärztin etwas erwidern konnte, verschwand die Hand der alten Dame in den Tiefen ihrer Tasche, und als sie wieder hervorkam, hielt sie eine kleine Glasflasche. Die Flasche war nicht größer als ihr kleiner Finger und wie ein dünnes Röhrchen geformt. Mikki kam das Design vage bekannt vor.
»Hier, meine Liebe, das ist für Sie.«
Sevillana drückte Mikki das Fläschchen in die Hand, und als Mikki es berührte, wurde ihr klar, warum es ihr so vertraut war. Es war eine perfekte Nachbildung eines Rosenstiels, komplett mit winzigen Dornen.
»Das ist ein Parfüm, das ich mir habe mischen lassen, als ich das letzte Mal auf Kreta war. Es hat mir immer Glück gebracht und mehr als ein bisschen Magie. Ich wünsche mir, dass es für Sie dasselbe tut.«
Mikkis Hand schloss sich um das Fläschchen. »Vielen Dank, Sevillana«, rief sie, als die Krankenschwester sie zur Tür scheuchte.
»Erinnere dich …«, flüsterte die alte Dame.
Mit einem leisen Klicken schloss sich die Tür.
4
Mikkis Wohnung war ihr Zufluchtsort. Vor fünf Jahren hatte sie den Mietvertrag unterschrieben und es nicht ein einziges Mal bereut. Das im obersten Stockwerk eines kleinen Wohnkomplexes gelegene Apartment war hübsch und geräumig, allerdings hatte nicht das Innere den Ausschlag für ihre Entscheidung gegeben, sondern die Lage. Von ihrem gusseisernen Balkon aus, der sich von ihrem Wohnzimmer bis an ihr Schlafzimmer zog, schaute sie direkt auf den Woodward Park, und dort befand sich ein Ort, den sie über alles liebte – die Tulsa Municipal Rose Gardens.
Als sie jetzt auf den Balkon hinaustrat, sah Mikki auf die Uhr: kurz vor halb sieben – also hatte sie noch Zeit. Sie nahm den wunderschönen Ausblick in sich auf, und zu ihrer Erleichterung stellte sie fest, dass keine eigenartigen Schwaden in der Luft hingen. Der Park war einfach der Park. Einen kurzen Moment lauschte sie auf das Echo eines einsamen Brüllens, aber bis auf die Autos, die auf der 21st Street vorbeirauschten, und die letzten Bühnenarbeiten für das Stück, das in ein paar Tagen Premiere haben würde, war alles still. Die Sonne war soeben untergegangen, aber der Himmel schien das letzte bisschen Licht nicht loslassen zu wollen. Schiefergrau mischte sich mit Violett und Korallenrot in der Dämmerung dieses angenehm kühlen Oktoberabends. Mikki wusste jedoch, dass die Farben schnell verblassen würden. Heute Nacht war Neumond, und so würden einzig und allein die Sterne den tiefschwarzen Himmel erhellen.
Jetzt aber los! , ermahnte sie sich innerlich. Sie musste mit der Tagträumerei aufhören und sich beeilen, wenn sie rechtzeitig zu ihrem Date im Restaurant sein wollte.
Eine leichte Brise kam auf und trug den zarten Duft ihrer Rosen zu Mikki herüber. Auf ihrem Balkon standen fünf große Blumentöpfe, in denen fünf auserlesene, fachmännisch gepflegte Rosenbüsche blühten. Alle gehörten zur selben Gattung. Mikki hatte vor langem aufgehört, ihre Rosen zu Hause zu kreuzen, denn sie wusste, dass Beständigkeit für Pflanzen ebenso wichtig war wie sorgfältige Pflege. Den Erfolg sah sie hier vor sich. Alle ihre Rosenbüsche standen in voller Blüte, nicht nur so kümmerlich, wie es bei anderen oft der Fall war, bevor der Winter sie im Keim erstickte.
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