Göttin der Rosen
ihre Freundin – die wirklich eine hervorragende Therapeutin war – irgendwelche magischen Worte kannte, die sie heilen würden.
Und sie war nicht sicher, ob sie geheilt werden wollte.
»Hey, ich bin’s doch nur«, versuchte Nelly sie zu beruhigen.
Mikki warf ihr ein angespanntes, aber dankbares Lächeln zu, atmete tief durch und begann. »Okay. Mein letzter Traum hat genauso angefangen wie die anderen.« Sie zupfte nervös an ihrem Nagel herum.
»Du meinst in dem Himmelbett?«
»In dem riesigen Himmelbett in dem noch riesigeren Schlafzimmer«, stellte sie richtig und nickte dann. »Ja. Es war der gleiche Raum, aber er war nicht ganz so dunkel wie sonst. Dieses Mal fiel ein bisschen Licht durch eine ganze Wand von Fenstern. Ich glaube, sie heißen …« Mikki suchte nach dem Wort, aber es wollte ihr partout nicht einfallen. »Ganz hohe Fenster mit Mittelpfosten. Weißt du, was ich meine?«
Nelly nickte. »Stabkreuzfenster.«
»Genau, ich glaube, so heißen sie. Aber egal, jedenfalls habe ich sie diesmal gesehen, weil ein bisschen Licht hereinfiel.« Mikki starrte in das fröhlich prasselnde Feuer, während sie ihren Traum Revue passieren ließ. »Es war ein sanftes, rötliches Licht – bestimmt die Morgendämmerung«, erklärte sie versonnen, dann fing sie sich wieder und fuhr fort: »Jedenfalls hat es mich aufgeweckt.« Sie zögerte und lachte leise. »Sogar im Traum kam mir das seltsam vor; dass mein Traum-Ich aufgewacht ist, aber der Traum noch gar nicht zu Ende war.« Mikki zuckte die Schultern. »Trotzdem bin ich aufgewacht. Ich lag auf dem Bauch und konnte fühlen, wie jemand meine Haare gebürstet hat – mit einer dieser breiten Bürsten mit langen, unglaublich weichen Borsten. Es war wundervoll.« Sie strahlte ihre Freundin an. »Es gibt wirklich kaum was Schöneres, als die Haare gebürstet zu kriegen.«
»Da stimme ich dir zu, aber Haare zu bürsten ist kein Sex.«
»Okay, mein letztes Mal ist schon ein bisschen her, aber selbst mir ist klar, dass Haarebürsten nicht das Gleiche ist wie Sex. Ich bin noch nicht beim erotischen Part angekommen, lediglich beim Warum-ich-so-entspannt-und-glücklich-bin-Teil«, erklärte Mikki und bedachte Nelly mit einem halb amüsierten, halb ärgerlichen Blick.
»Entschuldige die Unterbrechung. Tu einfach so, als wäre ich gar nicht hier.«
»Ist das wieder deine Therapeuten-Sprache?«
»Nein. Ich will nur, dass du mir endlich den Sex-Part erzählst.«
Mikki grinste. »Na, wenn das so ist, erzähle ich gern weiter. Also … ich war so entspannt, dass ich das Gefühl hatte, als würde ich schweben. Es war bizarr – als wäre meine Seele so leicht, dass sie einfach aus meinem Körper geflogen ist. Und dann wurde alles total verrückt.«
»Verrückt?«
»Na ja, plötzlich hat mich ein Windstoß erfasst und weggetragen. Aber nicht wirklich mich . Nur meinen Geist. Und dann hatte ich mit einem Mal das überwältigende Gefühl, angekommen zu sein. Das hat mich irgendwie erschreckt, und ich hab die Augen aufgemacht. Ich war zurück in meinem Körper, aber jetzt stand ich mitten in dem schönsten Rosengarten, den ich je gesehen habe, den ich mir je hätte vorstellen können.« Alles Zögerliche fiel von Mikki ab, als sie sich in der Beschreibung der Szene verlor. »Es war atemberaubend. Ich wollte die Luft trinken wie Wein. Überall um mich herum waren Rosen. Alle meine Lieblingsrosen: Double Delight, Chrysler Imperial, Cary Grant, Sterling Silver …« Sie seufzte glücklich.
»Gab es auch eine Mikado-Rose?«
Nellys Frage holte sie zurück in die Realität.
»Nein, von meinen Namensvettern habe ich keine gesehen.« Sie setzte sich auf und warf ihrer Freundin einen ärgerlichen Blick zu. »Und ich denke wirklich nicht, dass ich diese Träume habe, weil meine Mutter meinte, es sei eine gute Idee, mich nach ihrer Lieblingsrose zu benennen.«
Nelly hob beschwichtigend die Hand. »Hey, aber du musst zugeben, Mikki« – sie betonte den Spitznamen, als wollte sie das Wort »Mikado« aus der Luft verscheuchen –, »es ist schon seltsam, dass in allen deinen Träumen Rosen vorkommen.«
»Warum ist das seltsam? Ich arbeite ehrenamtlich in den Tulsa Municipal Rose Gardens. Ich züchte meine eigenen Rosen. Warum sollte etwas, das so eine wichtige Rolle in meinem Leben spielt, nicht in meinen Träumen vorkommen?«
»Du hast recht. Rosen spielen eine wichtige Rolle in deinem Leben, genau wie im Leben deiner Mutter …«
»… und meiner Großmutter und meiner
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