Göttin des Frühlings
plüschigen Antiksessel davor sinken. Niemand sagte ein Wort.
Zögernd machte Anton eine vage Geste in Richtung der Katze. »Patricia von der Katzenrettung meinte, sie würde heute etwas später Feierabend machen. Wenn du willst, kann ich das kleine rote Ding auf dem Heimweg bei ihr abgeben. Das ist wirklich kein großer Umweg«, schloss er mit einem schwachen Lächeln.
»Danke, Anton! Auch wenn du die Katze ein ›kleines rotes Ding‹ genannt hast, werde ich dein freundliches Angebot annehmen.«
»Also, eigentlich wollte ich ›kleines rotes Biest‹ sagen, aber ich habe mich zusammengerissen«, erwiderte er. Das war schon eher der alte Anton. Er wirkte nicht mehr so, als würde er jeden Moment hyperventilieren.
»Was haben wir jetzt vor?«, fragte Dolores.
Wie man es von ihr kannte, wartete sie auf das Resümee. Dolores war zwar erst achtundzwanzig, arbeitete aber schon seit zehn Jahren für Lina. Sie hatte Dolores eingestellt, weil sie nicht nur ein Händchen fürs Kuchenbacken hatte und gut mit älteren Menschen zurechtkam, sondern weil Lina viel von Dolores’ nüchterner Sachlichkeit hielt. Damit war das Mädchen das perfekte Gegengewicht zu Anton, der – Lina warf ihrem Mitarbeiter einen kurzen Seitenblick zu, der mit übereinandergeschlagenen Beinen dasaß, seine Augen immer noch verräterisch feucht glänzend – deutlich dramatischer veranlagt war. Die drei passten gut zusammen, und Lina wollte, dass es auch so blieb.
»Wir erweitern unsere Speisekarte«, sagte sie bestimmt.
Dolores nickte nachdenklich. »Gut, das können wir machen.«
Anton kaute an seinem Daumen. »Meinst du damit, dass wir auch Sandwiches aufnehmen oder so?«
»Das weiß ich noch nicht genau«, antwortete Lina langsam. »Hatte noch keine Zeit, mir das näher zu überlegen. Ich weiß nur, dass wir mehr Geld verdienen müssen. Und das geht nur, wenn wir mehr Kunden bekommen. Leuchtet doch ein, dass wir eine größere Gruppe ansprechen, wenn wir unsere Speisekarte erweitern.«
Anton und Dolores nickten einträchtig.
»Das Abendessen von Tess Miller ist ein guter Anfang«, bemerkte Dolores.
»Abendessen«, klagte Anton. »Das klingt so, keine Ahnung, so
banal
.«
»So banal wie ›pleite‹?«, fragte Lina.
»Nein!«, entfuhr es ihm.
»Eben.«
»Was wollen wir denn nun anbieten?«, fragte Dolores.
Lina fuhr sich mit den Fingern durch ihr akkurat geschnittenes Haar. Sie hatte keinen blassen Schimmer.
»Wir werden eine Auswahl aus unserer erweiterten Speisekarte servieren. So bekommen wir Übung und machen Werbung.«
»Und die erweiterte Speisekarte sieht wie genau aus?«, wollte Dolores wissen.
»Ich habe keinen blassen Schimmer«, gestand Lina.
»Unfassbar, dass ich heute nicht eine winzig kleine Beruhigungstablette mit zur Arbeit genommen habe.« Anton kaute an seinem Daumennagel.
»Hör auf mit dem Nägelkauen!«, befahl ihm Dolores. »Wir finden schon eine Lösung.« Sie sah Lina an. »Oder?«
Linas Herz zog sich zusammen. Die beiden sahen aus wie zwei kleine Vögelchen, die erwartungsvoll zu ihr hochschauten.
»Na klar«, sagte sie mit zuversichtlicher Stimme. »Ich muss ja nur …« Sie zögerte. Ihre Sprösslinge blinzelten sie mit großen Augen an und warteten auf das Ende des Satzes. »Ich muss ja nur … hm … ein Brainstorming machen«, schloss sie.
»Ein Brainstorming? Was man sonst immer macht, bevor man einen Aufsatz schreibt?« Seit Ewigkeiten besuchte Anton sporadisch die Abendschule des Tulsa Community College; diese Arbeitsweise war ihm vertraut.
»Na, klar!«, rief Dolores fröhlich. »Lina hat mindestens zehntausend Kochbücher zu Hause. Sie muss nur ein bisschen drin rumblättern und ein paar Rezepte für tolle Menüs raussuchen.«
»Dann sagt sie uns Bescheid, und wir machen uns an die neuen Kreationen!«, stieß Anton hervor. »Wie köstlich! Ich kann es kaum erwarten!« Er griff nach Dolores’ Hand und drückte sie. »Tut mir total leid, dass ich zuerst so negativ war. Fast hätte ich unser Bäckermotto vergessen.«
Die beiden grinsten sich an, dann legten sie einträchtig die Hand aufs Herz, als würden sie den Fahneneid leisten, und sprachen feierlich wie aus einem Mund: »Beim Backen muss man aus jeder Situation das Beste machen.«
Lina hatte das Gefühl, in der Bäckerhölle gelandet zu sein, aber sie nickte aufmunternd und lächelte. Dolores hatte teilweise recht, Lina hatte zu Hause tatsächlich eine eindrucksvolle Sammlung von Kochbüchern – gefüllt mit großartigen
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