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Gold. Pirate Latitudes

Gold. Pirate Latitudes

Titel: Gold. Pirate Latitudes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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in herrlicher, unangreifbarer Abgeschiedenheit.
    »Ich muss nachdenken«, sagte Hunter und setzte sich wieder hin.
     
    Ein Schiff, das in offenem, friedlichem Wasser ankerte, war so sicher wie eine von einem Wassergraben umgebene Festung. Und das, was Sanson als Nächstes tat, machte ihn noch sicherer: Er kippte Proviant und Abfälle rings um das Schiff ins Meer, um Haie anzulocken. Es gab ohnehin schon viele Haie im Hafen, doch nun kam der Versuch, zur El Trinidad hinüberzuschwimmen, glattem Selbstmord gleich.
    Und kein Boot konnte sich dem Schiff nähern, ohne gesehen zu werden.
    Es kam also nur eine offene und scheinbar harmlose Annäherung infrage. Doch auf einem offenen Boot konnte man sich nirgends verstecken. Hunter kratzte sich am Kopf. Er tigerte im Black Boar auf und ab, um dann, noch immer ruhelos, nach draußen auf die Straße zu treten.
    Dort sah er einen Wasserspucker, einen von diesen Gauklern, wie sie tagtäglich anzutreffen waren, der Fontänen buntes Wasser in die Luft spie. Solche Kunststückchen waren in der Kolonie Massachusetts verboten, weil sie als Teufelswerk galten; auf Hunter übten sie einen seltsamen Zauber aus.
    Er sah eine Weile zu, wie der Wasserspucker nacheinander verschiedene Sorten Wasser trank und ausspie. Schließlich ging er zu dem Mann hinüber.
    »Ich möchte Euer Geheimnis erfahren.«
    »So manche edle Frau am Hofe von König Charles hat das wissen wollen und mir mehr dafür geboten als Ihr.«
    »Ich biete Euch«, sagte Hunter, »Euer Leben.« Und mit diesen Worten drückte er ihm eine geladene Pistole ins Gesicht.
    »Ihr könnt mich nicht einschüchtern«, sagte der Gaukler.
    »Ich glaube doch.«
    Kurz darauf war er im Zelt des Gauklers und ließ sich das Kunststück erklären.
    »Es ist nicht so, wie es scheint«, sagte der Gaukler.
    »Lasst hören«, sagte Hunter.
    Der Gaukler erklärte, dass er vor einem Auftritt eine Pille schluckte, die er aus der Galle eines Kuhkalbs und gebackenem Weizenmehl herstellte. »Sie reinigt meinen Magen, versteht Ihr.«
    »Ja. Fahrt fort.«
    »Als Nächstes koche ich Paranüsse, bis sich das Wasser dunkelrot verfärbt hat. Das trinke ich dann vor der Arbeit.«
    »Weiter.«
    »Dann wasche ich die Gläser mit weißem Essig aus.«
    »Weiter.«
    »Und einige Gläser werden nicht ausgewaschen.«
    »Weiter.«
    Dann, so erklärte der Wasserspucker, trank er Wasser aus sauberen Gläsern und würgte den Inhalt seines Magens hoch, wodurch er Gläser mit leuchtend rotem ›Wein‹ füllen konnte. In anderen Gläsern, an denen noch Essig haftete, wurde aus derselben Flüssigkeit ›Bier‹ mit einer dunkelbraunen Farbe.
    Das Trinken und Hochwürgen von noch mehr Wasser brachte ein helleres Rot zustande, das ›Sherry‹ genannt wurde.
    »Das ist der ganze Trick bei der Sache«, sagte der Gaukler. »Es ist alles nicht so, wie es scheint, und damit basta.« Er seufzte. »Wichtig ist nur, die Aufmerksamkeit in die falsche Richtung zu lenken.«
    Hunter dankte dem Mann und machte sich auf die Suche nach Enders.
     
    »Kennst du die Frau, die uns zur Flucht aus Marshallsea verholfen hat?«
    »Anne Sharpe heißt sie.«
    »Hol sie her«, sagte Hunter. »Und besorge mir für die Bootsbesatzung sechs der besten Männer, die du auftreiben kannst.«
    »Warum, Captain?«
    »Wir statten Sanson einen Besuch ab.«

KAPITEL 38
    André Sanson, der auf den Tod gefährliche, starke Franzose, kannte keine Furcht, und so sah er seelenruhig zu, wie das Boot vom Ufer ablegte. Er beobachtete das Boot genau; aus der Ferne sah er sechs Ruderer und zwei Leute im Bug, konnte jedoch nicht erkennen, wer sie waren.
    Er rechnete mit einer List. Der Engländer Hunter war gerissen und würde sich seine Gerissenheit zunutze machen, wenn er konnte. Sanson wusste, dass er nicht so schlau war wie Hunter. Seine Begabungen waren eher animalischer, körperlicher Natur. Und dennoch war er zuversichtlich, dass Hunter ihn nicht hinters Licht führen konnte. Das hielt er für schlichtweg unmöglich. Er war allein auf diesem Schiff und er würde allein bleiben, in Sicherheit, bis es dunkel wurde. Wenn Hunter bis dahin nicht auf seine Bedingungen eingegangen war, würde er das Schiff versenken.
    Und er wusste, dass Hunter das niemals zulassen würde. Er hatte für diesen Schatz zu hart gekämpft und zu sehr gelitten. Er würde alles dafür tun, ihn zu behalten – er würde sogar Sanson freilassen. Der Franzose war zuversichtlich.
    Er spähte auf das näher kommende Ruderboot. Als es nicht mehr

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