Goldbrokat
es, oder war es der Nachhall seiner Worte, die in seinem Testament gestanden hatten? Er wusste es nicht, aber noch immer lag eindringlich der Blick seines Paten auf ihm.
»Ja, Servatius. Ich bin dein Erbe. Ich bringe zu Ende, was du geschworen hast.«
Das Gesicht löste sich auf und verschwand.
Doch irgendwie hatten sich diese Gedanken in ihm geformt, und sie gaben ihm die Energie, bei Bewusstsein zu bleiben und über seine Lage nachzudenken.
Sie war unbeschreiblich. Er wusste nicht, wie lange er sich schon in diesem Zustand der Schwäche befand.Vermutlich seit Wochen. Seine Arme, erkannte er, waren steckendünn geworden,
sie zu heben bedurfte äußerster Anstrengung. Die Beine zu bewegen wollte er erst gar nicht versuchen.
Mit einem Windstoß öffnete sich die Tür, und der stille Mönch trat in den Raum. Seine Robe triefte, sein kahler Schädel glänzte von Nässe.
»Ihr seid wach, baixi long ?«
Diesmal gelang ihm tatsächlich ein gekrächztes » Shi «.
»Dann wird es nun besser.Trinkt.«
Auch das Schlucken gelang wieder. Aber es erschöpfte ihn. Und als er wieder alleine war, übermannte ihn die schwärzeste Trauer, die er je in seinem Leben verspürt hatte. Ignaz war tot, verbrannt in einem Lagerhaus. Servatius war tot, ertrunken in den Fluten eines tropischen Sturms.
Wie sollte er nur je mit diesem Verlust leben?
Hätte er doch nur eine Opiumpfeife. Sie hatte ihm in den vergangenen Jahren über die unerträglichen Gefühle hinweggeholfen. Die Wärme, das Wohlgefühl, die geistige Klarheit, die die Droge ihm verschafft hatte, brauchte er, um zu überleben.
Aber sosehr er auch den heilenden Rauch begehrte, hier im Kloster würde er ihn nicht bekommen.
Darum musste er, nachdem sein Körper das Gift besiegt hatte, mit seinem Geist gegen die nie gelebte Trauer, die Trostlosigkeit und nun, da er leben wollte, die sich anschleichende Todesangst kämpfen.
Es war die zweite Hölle, die er durchschritt.
Auf hoher See
Die Wolke steigt, zur Mittagsstunde
Das Schiff ächzt auf der Wellen Höhn,
Gezisch, Geheul aus wüstem Grunde,
Die Bohlen weichen mit Gestöhn.
»Jesus, Marie! wir sind verloren!«
Vom Mast geschleudert der Matros’,
Ein dumpfer Krach in Aller Ohren,
Und langsam löst der Bau sich los.
Annette von Droste-Hülshoff, Die Vergeltung
»Hart backbord!«, donnerte der Kapitän, und das Schiff krängte gefährlich über. Tosend krachten die Wellen auf das Deck und spülten alles über die Reling, was nicht festgemacht worden war.
»Mann über Bord«, piepste der Steuermann. Eine Dame im rosa Rüschenkleid versank wortlos in den Fluten.
»Weiter hart backbord.« Kaltblütig hielt der Kapitän an seinem Kurs fest, denn die Rettung der Unseligen hätte bedeutet, dass sie auf die gefährlichen Klippen der Dracheninsel aufgelaufen wären. Dem grausamen Ungeheuer, das hier hauste, galt es um jeden Preis zu entgehen. Doch weitere Gefahren lauerten auf dem sturmgepeitschten Meer.
»Piraten von steuerbord!«, quiekte es vom Ausguck atemlos.
»Backbord, du dumme Nuss«, korrigierte der brummige Seebär und musterte die Brigg, die sich unaufhaltsam näherte. Schon konnte er in die grünen Augen des Freibeuters blicken. Eines davon zierte eine schwarze Klappe, sein Kinn ein ebenso
schwarzer Bart, und die Flagge an seinem Heck stieg jetzt ebenso bedrohlich schwarz in die Höhe. Er reckte seinen weißen Leib und maunzte herausfordernd.
Die Besatzung machte sich bereit, ihr Schiff gegen den Korsaren bis aufs Blut zu verteidigen. Doch der verließ bereits sein korbähnliches Boot, und schon fuhren die Enterhaken aus, und der Anführer der feindlichen Meute erklomm schnurrend den schnittigen Klipper.
»Kappt die Taue, werft mit Ankern, holt über!«, heulte der Erste Offizier.
»Quatsch, doch nicht mit Ankern werfen. Refft die Segel, beidrehen!«, donnerte der Kapitän, und das Schiff schwankte erbärmlich. Brecher spülten über das Deck, Masten barsten. Leinwand ging nieder. »Beim wilden Nick, wir werden das Schiff verlieren!«
Die Not war groß, das Steuer gebrochen, in der Bilge stieg das Wasser. Hier drohten die scharfen Klippen und der feuerspeiende Drache, dort die Piraten, die halbe Besatzung schon über Bord, und der Wind heulte erbarmungslos in den Wanten.
Doch da – ein Ruf durch das Brausen und Toben.
»Ahoi, Kameraden! Haltet durch, haltet durch, das rettende Mutterschiff naht!«
»Nicht, Mama! Nicht. Du kannst nicht einfach auf das Meer treten!«
»Ah, stimmt, ich würde
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