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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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wenn du dich nicht bald ruhig hinsetzt, binden wir dich am Stuhl fest«, mahnte sie. »So hat man das mit Zappelphilipps früher immer gemacht.«
    »Das ist aber fies, Madame Mira.«
    »Es ist aber die einzige Methode, wie man mit ungebärdigen Kindern fertig wird.«
    Ich sah sie mit einer hochgezogenen Braue an. So recht gefiel mir ihre Erziehungsmethode nicht, und sie lenkte auch ein wenig ein. »Na gut, der, den ich meinte, der war noch ein bisschen zappeliger als du. Der konnte keinen einzigen Moment stillsitzen und sich ruhig beschäftigen. Ständig machte er dabei irgendwas kaputt. Dem Vater blieb gar nichts anderes übrig, als ihn anzubinden.«
    »Wer war der Junge?«
    Philipp hatte sich die Mahnung zu Herzen genommen und sich wieder über seine Arbeit gebeugt, weshalb ich ihm die Neugier gerne durchgehen ließ.
    »Das war der Sohn eines Seidenhändlers, der mit unserer Familie bekannt war.«
    »Und was ist aus dem geworden?«, wollte er wissen.Vermutlich erhoffte er sich eine ähnlich gruselige Geschichte, wie sie im Struwwelpeter erzählt wurde.
    »Den hat der Vater aus dem Haus geschickt, und er musste bei einem strengen Dienstherrn in die Lehre gehen.«
    »Nur bei Wasser und Brot. Und jeden Abend wurde er geprügelt. Und nie durfte er das Sonnenlicht sehen«, ergänzte Laura genüsslich und sah ihn, ihren leiblichen Bruder, triumphierend an.
    Bevor der die Herausforderung annehmen konnte, fuhr ich dazwischen und bat Madame Mira, uns von den Seidwebern zu
erzählen.Wenn die alte Dame mit ihren Geschichten aufwartete, hörten meine beiden Kinder immer gerne zu. Es wirkte auch diesmal. Philipp, im Schneidersitz, trennte geduldig das Futter aus dem roten Umhang, Laura zupfte mit emsigen Fingerchen einen Spitzenkragen von einer Bluse.
    »Meine Familie hat seit Jahrhunderten Seide gewebt«, begann die alte Dame. »Seit dem Mittelalter gehörten die Frauen der Seidweberzunft an. Man braucht nämlich Geduld und geschickte Finger, um die feinen Kettfäden auf den Webstuhl zu spannen.« Sie zog ein haardünnes, schimmerndes Fädchen aus dem Saum des rosa Taftumhangs und pustete es leicht an. »Das können Frauen besser als Männer. Hunderte von solchen Fäden sind notwendig, um eine breite Stoffbahn zu erzeugen. Deshalb sind Seidenstoffe auch so wertvoll. Nur die Reichen und Mächtigen konnten sie sich damals leisten. Allen voran die Priester und Bischöfe, die in ihren prächtigen Ornaten die Gläubigen beeindrucken wollten.«
    Ich erlaubte mir ein leises Schnauben, aber da fuhr Madame Mira schon fort. »Natürlich kleideten sich auch die Patrizier und Ritter in Samt und Seide. Aber die Stoffe waren damals noch nicht so kunstvoll gemustert wie heute. Damast wie dieser hier war sehr, sehr schwer herzustellen. Meistens waren sie glatt, wie der Taft, den du gerade in der Hand hast, Philipp. Man fertigte die Gewänder daraus, und erst dann kamen die Seidenstickerinnen zum Zuge. Sie konnten mit ihren feinen Nadeln ganze Gemälde auf Stoff zaubern. Oft verwendeten sie sogar Gold- und Silberfäden dazu. Die bestickten Kölner Seiden waren überall berühmt und wurden von den Händlern im ganzen Land verkauft.«
    »Heute aber nicht mehr. Mama hat gesagt, die besten Seiden kommen aus Lyon.«
    »Das ist richtig, Laura. Als die Franzosen ihrem König den Kopf abgeschlagen hatten und die Revolutionstruppen ganz Europa eroberten, kamen sie auch nach Köln und führten ihre neue Ordnung ein.«

    Ich ließ es zu, dass Madame Mira Philipp mit einem kleinen Exkurs über die blutigen Taten aus den Tagen der französischen Kriege ergötzte, aber da meine Tochter derartige Sujets nicht auf dieselbe Weise goutierte, bat ich sie nach kurzer Zeit, das Thema zu wechseln. Madame Mira gab meiner Bitte umgehend und mit einem kleinen Zwinkern nach und besann sich auf die Seidenweberei.
    »Die französischen Besatzer stellten fest, dass hier in Köln die Handwerker noch sehr altmodisch arbeiteten. In Lyon hatten sie schon viel bessere Webstühle und konnten gemusterte Seiden herstellen. Die Kölner sträubten sich gegen die neue Technik, die Damen aber wollten die schönen Stoffe haben, und so verloren die Seidweber und Seidenhändler ihre Arbeit.«
    »Sie auch, Madame Mira?«, fragte Laura.
    »Nein, Laura, dazu war ich zu klug. Ich habe schon immer gerne genäht, darum wurde ich Schneiderin und verwendete die edlen Seiden aus dem Süden Frankreichs. Der Vater des Zappelphilipps aber, der Max Stubenvoll, der verlor sein Geschäft und musste

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