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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Mönche vom Kalten Berg zu Dankbarkeit verpflichtet und letztendlich sogar uns beide auseinandergebracht. Fast alles, was er tat, hat dramatische Ereignisse ausgelöst. Die Chinesen sagen, dass er im Jahr des Feuerdrachen geboren ist, und ich beginne ihrer jahrtausendealten Weisheit allmählich Glauben zu schenken. Er war ein charismatischer Mensch, wagemutig, verwegen, furchtlos. Er konnte hilfsbereit sein oder gnadenlos. Seine Hilfsbereitschaft hat ihn das Leben gekostet, aber genauso gut hätte er in einem blutigen Kampf sterben können.«
    »Du bist ihm ähnlich, glaube ich.«
    »In manchen Dingen, ja. Auch das haben die Mönche auf dem Kalten Berg erkannt, und der Abt hat mir die Aufgabe gestellt, den Drachen zu bezähmen.«
    »Hast du ihn bezähmt?«
    »Nein, noch nicht. Oder besser, ich habe noch immer nicht herausgefunden, was der Abt damit meinte. Aber ich habe auf dem Weg dahin schon ein paar kleinere Ungeheuer erlegt.«
    »Du meinst damit nicht Charnay?«
    »Nein, ich meine damit den verletzten Stolz in mir, der die Heilung einer schwärenden Wunde verhindern wollte. Ich habe einst versucht, die Schmerzen mit Opium und einer willigen Geliebten zu betäuben, aber das war der falsche Weg. Der richtige war, zu dir zurückzukehren.«

    Ich legte meine Hand auf die seine. Die Bitternis, die so lange in mir gewütet hatte, war ebenfalls verflogen, die verätzte Stelle in meinem Herzen geglättet. Mochten auch neue Schwierigkeiten auf uns zukommen, von jetzt an würden wir ihnen gemeinsam begegnen.
    »Drago, dieses Seidentuch, wieso hatte George es? Nona trug es immer in ihrer Tasche.«
    Er drehte seine Hand unter der meinen um und nahm sie in einen festen Griff.
    »LouLou hat es nach ihrem Tod an sich genommen. Sie hat sich daran aufgehängt. George muss es aus ihrer Wohnung mitgenommen haben.« Und dann schwieg er betroffen.
    »Ja, Drago, als ich ihn heute Vormittag aufsuchte, hatte er das Bild einer Eule auf einem kahlen Ast gemalt und ein todtrauriges Gedicht dazu geschrieben.«
    »Ich hätte mich um ihn kümmern müssen.«
    »Du musstest dich um mich kümmern, und ich habe mich um ihn gekümmert. Er hat mir von seiner Mutter und Servatius erzählt. Und schließlich hat er mir mit einem tiefen Kniefall dieses Seidentuch überreicht.«
    »Kotau, die höchste Ehrenbezeigung, die sehr hochstehenden Personen gebührt. Dem Kaiser, der Kaiserin und der Höchsten der Höchsten, der TaiTai. Danke, Ariane.«
    »Du wirst ihn bald als Partner in dein Geschäft aufnehmen, vermute ich?«
    »Das war meine Absicht.Wieso?«
    »Hast du ihn schon mal gefragt, ob er das überhaupt möchte?«
    »Nein,Tigerin, das habe ich bisher verabsäumt. Ich setzte es einfach voraus. Lag ich damit falsch?«
    »Vielleicht. In ihm schlummert ein großer Künstler, Drago. Du könntest ihn fördern.«
    »Ich hätte genauer zuhören müssen. Dein Bruder deutete das Gleiche an.« Er lächelte. »Ein Punkt mehr auf unserer Liste, den es zu beachten gilt.«
    »Eine lange Liste, zu der nun als Erstes gehört, dass du dich
deiner eigenen Brut aussetzen musst. Komm, wir wollen unser erstes Familienessen miteinander einnehmen. Ich hoffe, die Fratzen wissen sich zu benehmen.«
    »Sonst werden sie, beim wilden Nick, erfahren, was für ein Drache ihr Vater werden kann!«

Der Drache und die Tigerin
    Laß ins Unendliche den Faden wallen,
Er wallet durch ein Paradies,
Dann, Göttin, laß die böse Schere fallen!
O laß sie fallen, Lachesis!
     
    Friedrich Schiller, An die Parzen
    Drago lehnte an der Reling der Silver Moon, die im November von Hamburg ausgelaufen war. Zufrieden schaute er in die glitzernde Gischt. Warm schien die Sonne, eine kräftige Brise blähte die Segel, oben in den Wanten sangen die Matrosen ihre Arbeitslieder.
    Sie waren auf dem Weg nach Hause.
    Der Abschied war ihnen erstaunlich leichtgefallen. Nicht von jedem, aber im Großen und Ganzen. Zwei Tage nach dem Tumult im Domhotel hatten sie LouLou und Nona begraben, und Ariane hatte einige Tage getrauert. Dann aber hatten sie die Vorbereitungen der Reise in Atem gehalten. Er hatte sich um die Passage und die Fracht gekümmert, denn Ariane hatte den Wunsch geäußert, einige Nähmaschinen mitzunehmen, um den Chinesinnen das Arbeiten damit beizubringen. Keine schlechte Idee in seinen Augen. Masters hatte die Dampfmaschinen und auch einige andere technische Apparate geliefert, und ein begabter junger Techniker aus seinem Haus hatte sich verpflichtet, für zwei Jahre mitzukommen, um die

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